: Einblick (593)
Raluca C. E. Blidar, Künstlerin
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?RB: Camille Henrots „The Pale Fox“ bei der König Galerie in St. Agnes. Ihren installativen Ansatz und die Kombination von eigenen Bildern und Werken mit Found-Footage-Material fand ich sehr anregend. Auch Andreas Koch im Haus am Lützowplatz hat mir sehr gut gefallen. Ich mag den Humor seiner Arbeiten, überhaupt gibt es sehr wenig ironische Kunst! Vor allem gefällt mir sein Ansatz, dort zu graben, wo man steht. Und seine Fotoserie „Rosenthaler Platz“: Unglaublich, wie sich die Stadt, die Architektur, verändert, wenn man sie von allen Schriftzügen bereinigt.
Welches Konzert oder welchen Klub kannst du empfehlen?Ich war sehr gerührt von Kraftwerk in der Neuen Nationalgalerie vor einem Jahr. Aktuell freue ich mich auf die Sleaford Mods (im November). Ich mag die minimalen Sounds, die Texte und den Akzent von Sleaford Mods: keine Lovesongs und kein wehleidiges Selbstbeweihräuchern!
Welche Zeitschrift und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?Ein Freund hat mir „Doris hilft“ von Wolfgang Welt empfohlen, einem Autor aus meiner alten Heimat Bochum. Es gefällt mir, wie sich die tausend Fragmente seiner Erzählungen zu einem (Ein-)Blick in das Leben eines anderen verdichten und wie poetisch damit der Alltag des Protagonisten beschrieben wird. Außerdem habe ich mir endlich Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus“ gekauft, das ich schon immer mal lesen wollte, weil es ein wichtiges Buch ist, wenn man sich für Sprachlogik interessiert.
Was ist dein nächstes Projekt?Ich arbeite immer an mehreren Sachen, seit Längerem beschäftigt mich ein familiärer Fundus von Einkaufstüten aus der sozialistischen Zeit in Rumänien. Besonders interessant finde ich den Aspekt der Werbung im Sozialismus und die Ästhetik und Materialität dieser Tüten. Demnächst möchte ich mich auch mit der Übersetzung von visuellen Aufzeichnungen (insbesondere eigener Zeichnungen) in Sounds beschäftigen. Parallel entwickle ich einen Film über Neukölln.
Raluca C. E. Blidar,geboren1973 in Rumänien, zog mit 9 Jahren nach Deutschland. Nach einem Jurastudium und Referendariat in Bochum wechselte Blidar nach Berlin und studierte an der Ostkreuzschule für Fotografie und von 2006 bis 2014 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Zeitgleich kuratierte sie zwei Gruppenausstellungen in der nGbK. Seit 2009 lebt sie wieder in Berlin und erhielt 2015 ein Stipendium des Goldrausch-Künstlerinnenprojekts. Ihre Arbeiten sind zurzeit in der Goldrausch-Jubiläumsausstellung im Kunstquartier Bethanien zu sehen (s. oben).
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?Letzten Dienstag um 8.40 Uhr morgens auf der Dachterrasse von Karstadt am Hermannplatz: der Sonnenaufgang – ein wunderbares Ereignis, das mich mehrere Tage getragen hat. Ich liebe auch U-Bahn-Fahren in Berlin. Nirgendwo sonst kommen mir so viele Ideen und erlebe ich diese Stadt so hautnah wie in der U-Bahn.
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