: Ausgeraucht: War der Coffeeshop nur heiße Luft?
Verkaufsstellen für THC-haltige Rauchwaren am Görlitzer Park? „Unter den jetzigen gesetzlichen Rahmenbedingungen wird das nicht funktionieren. Erst mit einer generellen Cannabis-Legalisierung ließe sich das lenken.“
Wer hat’s gesagt? Hans Panhoff, Kreuzbergs grüner Bezirksstadtrat für Planen, Bauen und Umwelt. Das war im Juli 2013, kurz nachdem die Coffeeshop-Idee aus seiner Partei in die politische Realität herübergeweht war. Dass sich das Modell einer punktuellen, kontrollierten Freigabe gegen einen ortsungebundenen Schwarzmarkt durchsetze, sei reichlich unwahrscheinlich, so Panhoff.
Der Mann hatte schon damals recht. Wobei es keine Chance geben wird, den Gegenbeweis zu erbringen. Dieser heiß begehrte Joint ist zerbröselt, bevor ihn jemand bauen konnte. Ein „War doch von Anfang an klar, dass die das nicht erlauben“ hat etwas von wohlfeiler Häme – berechtigt ist es trotzdem.
Zumal an dem Projekt so vieles nicht stimmte. Denn das ursprüngliche Ziel, der Dealerei im Park mit ihren negativen Begleiterscheinungen – sinkende Aufenthaltsqualität, Gewalt, Verkauf von schlechtem Stoff – ein Ende zu bereiten, es wäre auch bei einer Genehmigung durch das Bundesinstitut nicht erreicht worden. Niemals.
Schon vor Jahren erklärte Hanfaktivist Steffen Geyer in der taz, nur Touristen und Neuberliner kauften Gras auf der Straße. Und Jugendliche ohne Zugang zum seriösen Handel, könnte man hinzufügen. Mit dem anvisierten Modell einer per Chipkarte und Konsumtagebuch kontrollierten Abgabe an volljährige Bezirksbewohner hat diese Realität wenig zu tun. Wer heute im Görli kauft, hätte auch mit Coffeeshop dort gekauft.
Und die Dealer? Die hatten die Grünen bei ihren süß duftenden Träumereien sowieso nicht auf dem Schirm.Claudius Prößer
Seit Montagmorgen ist klar: Cannabis-Läden wird es in Friedrichshain-Kreuzberg so bald nicht geben. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich die Grünen im Bezirk die Coffeeshop-Idee gleich hätten sparen können. Sie haben damit einiges bewegt – und zwar vor allem in den Köpfen.
Lange war die Legalisierung von Cannabis eine Forderung der kiffenden Linken. Seit man Marihuana in einigen Staaten der USA ganz offiziell kaufen kann, ist das Thema auch in Deutschland salonfähig geworden. Die Kreuzberger Grünen sprangen auf diesen Trend auf. Ihr Vorschlag befeuerte die bundesweite Diskussion. Bremen und Düsseldorf kündigten an, dem Kreuzberger Beispiel folgen zu wollen. Inzwischen sind selbst innerhalb der SPD viele der Meinung, dass ein regulierter Cannabis-Verkauf sinnvoller ist als ein Verbot, das Sicherheitskräfte bindet, hohe Kosten verursacht und den Konsum trotzdem nicht einzudämmen vermag.
Und noch etwas hat der Kreuzberger Antrag bewirkt: Endlich mal wurde konkret durchdekliniert, wie ein Coffeeshop-Modell für Berlin aussehen könnte. Wer dort wie viel Cannabis kaufen darf. Mit welchen Mitteln man Missbrauch verhindert, wie man Menschen mit problematischem Konsum erreicht.
Insofern war der Coffeeshop viel mehr als nur heiße Luft. Selbst die Ablehnung des Antrags ist lesenswert: Das Hauptargument des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte lautet, es sei für eine solche grundlegende Entscheidung nicht zuständig, da müsse der demokratisch legitimierte Gesetzgeber ran. Genau so ist es. Die Cannabis-Freigabe gehört in den Wahlkampf. Nicht nur in Berlin 2016, sondern auch im Bund ein Jahr darauf. Denn dort wird die Drogenpolitik letztlich gemacht. Antje Lang-Lendorff
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