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Das Zauberwort heißt Prävention

Debatte In den kommenden Wochen wird die SPD-Basis über 12 strittige Themen für das Programm zur Abgeordnetenhauswahl 2016 abstimmen. Es geht auch um die legale Abgabe von Cannabis. Ein Gastkommentar zum Thema vom Juso-Landeschef

von Kevin Kühnert

„Sehr kritisch“ stehe er der Freigabe von Cannabis gegenüber, sagte Michael Müller, der Regierende Bürgermeister, vor knapp zwei Wochen erstmals öffentlich. Warum er das so sieht, dazu fiel ihm nicht sonderlich viel ein. Gut also, dass die Berliner SPD nun über ihre Haltung in dieser und elf anderen Fragen abstimmt.

Der Regierende Bürgermeister kann die kommenden Wochen gemeinsam mit rund 17.000 anderen Mitgliedern nutzen, um sich genauer zu informieren. Mit manchen Mythen, und die ranken sich rund ums Kiffen nun wirklich reichlich, können wir bis dahin hoffentlich aufräumen.

Den prominentesten Mythos führte Michael Müller dann auch gleich selbst als Argument ins Feld: Cannabis sei eine potenzielle Einstiegsdroge für den späteren Konsum sogenannter harter Drogen. Mit diesem Märchen werden seit Jahr und Tag erfolgreich Mehrheiten gegen die überfällige Legalisierung organisiert. Richtiger wird die Argumentation dadurch nicht.

Stattdessen ist sich nahezu die gesamte Fachwelt einig, dass diese Verkettung nicht plausibel ist. Neben namhaften WissenschaftlerInnen machten sich sogar das Bundeskriminalamt und das Bundesverfassungsgericht in Publikationen und Urteilen diese Erkenntnis frühzeitig zu eigen.

Ähnliches findet sich in einem aktuellen Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion. Und auch enge Kooperationspartner der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wie zum Beispiel das Projekt drugcom.de und die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen argumentieren gegen die sogenannte Einstiegsthese.

Es gibt keine Regel, dass das eine das andere bedingt

Richtig ist, dass beispielsweise die meisten Heroin-Abhängigen auch Cannabis konsumieren. Doch das trifft ebenso auf Nikotin und Alkohol zu. Außerdem ergibt sich daraus keine Regel, nach der das eine das andere bedingt. Mit der gleichen Argumentation könnte zum Beispiel Schokoladenkonsum als Einstieg in die Fettleibigkeit oder ein Stadionbesuch als Beginn einer Hooligan-Laufbahn bezeichnet werden.

Dieser Irrtum kommt zustande, weil die Korrelation zweier Phänomene mit einer Kausalität zwischen den beiden verwechselt wird. Den falschen Rückschluss daraus zu ziehen, wie Müller es tut, ist noch keine Schande. Ihn bewusst in die politische Debatte zu tragen ist hingegen schäbig.

Genau das tut derzeit die Berliner CDU, indem sie mit populistischen Argumenten den SPD-Mitgliederentscheid begleitet. Eines davon ist, dass eine Legalisierung insbesondere Kinder und Jugendliche grob gefährde.

Dass diese verhältnismäßig anfällig für spätere psychische Erkrankungen sind, ist auch wissenschaftlich Konsens. Keine Partei und kein Verband rückt vom Bekenntnis ab, insbesondere Minderjährige schützen zu wollen. Die bisherige Praxis erreicht jedoch das Gegenteil. Denn schon heute und somit in Zeiten einer restriktiven Verbotspolitik stellen Kinder und Jugendliche die größte KonsumentInnengruppe. Noch dazu sind sie auf den Schwarzmarkt angewiesen, wo ihnen mitunter gestreckte Ware oder gleich ganz andere Drogen angedreht werden. Kann das ernsthaft gewollt sein?

Das Zauberwort heißt deshalb Prävention. Ehrliche, empathische Prävention ohne pädagogischen Zeigefinger. Dafür können auch wir Jusos uns begeistern. Denn der Blick in die Niederlande belegt, dass damit auch nach erfolgter Legalisierung die Konsumrate im europäischen Mittelfeld gehalten werden kann. Gestützt wird diese Erkenntnis nicht von irgendwem, sondern durch Zahlen der zuständigen EU-Agentur EBDD.

„Überhaupt lohnt der Blick zu unseren westlichen Nachbarn. Denn viele mit der Liberalisierung des Konsums verbundenen Hoffnungen haben sich dort erfüllt. Die Zahl drogenbedingter Todesfälle ist beispielsweise extrem niedrig, weil der Schwarzmarkt mit seinen minderwertigen Waren faktisch erledigt wurde. Und die niederländische Polizei kann deutlich größere Erfolge bei der Fahndung nach kriminellen Großdealern vorweisen, schließlich müssen Einsatzkräfte nicht zur Verfolgung harmloser Jugendlicher abgestellt werden.

Kevin Kühnert

1989 in Berlin geboren, lebt in Tempelhof, studiert Publizistik und Kommunikationswissenschaften sowie Politikwissenschaften (FU Berlin). Seit 2012 Landesvorsitzender der Jusos, zwischen 2006 und 12 stellvertretender Landesvorsitzender.

Deutsche Verbotspolitik – nur noch lachhaft

Über die deutsche Verbotspolitik hingegen wird heute auf Berliner Schulhöfen herzhaft gelacht. Und wenn ich als Vertreter der Jusos in Schulklassen diskutiere, dann kommt eine Frage so sicher wie das Amen in der Kirche: Wie hältst du’s mit dem Gras? Die euphorischen Reaktionen im Publikum und das milde Lächeln der LehrerInnen bewegen dann meist auch die VertreterInnen der Jungen Union dazu, sich wohlwollend zu Can­na­bis zu äußern. Vielleicht sollten die Mitglieder des Berliner Senats ja auch häufiger mal Schulklassen besuchen?

Ich bin überzeugt, dass wir in der Drogenpolitik vor einer Richtungsentscheidung stehen. Der konservative Weg der Prohibition ist erkennbar gescheitert. Der Konsum und seine gesellschaftliche Akzeptanz steigen. Mit der Freimengengrenze von 15 Gramm haben wir in Berlin zu rot-roten Zeiten die richtige Antwort darauf gegeben. Innensenator Henkel (CDU) reagiert heute hingegen mit planlosen Polizeiaktionen im Görlitzer Park und beklagt tags darauf, ihm würde das Personal für andere Aufgaben fehlen.

Eine progressive Antwort wären die kontrollierte Abgabe, eine saftige Konsumsteuer und eine lebensnahe Präventionsarbeit. Dafür sollte sich Berlin im Bundesrat einsetzen.

Wir SozialdemokratInnen müssen begreifen: Es geht bei der Frage nach Canabislegalisierung nicht darum, ob wir uns für oder gegen Drogenkonsum positionieren. Der findet eh statt. Es geht darum, durch welche Strategie wir eine Gesellschaft aufgeklärter VerbraucherInnen werden, die selbstbestimmt konsumiert oder eben verzichtet. Die derzeitige Strategie führt zum genauen Gegenteil. Es wird Zeit, einen anderen Weg zu beschreiten.

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