: Von Bauer zu Bürger
Das „Wir haben es satt!“-Bündnis bündelt diverse Gruppen. Auf der Demo verschaffen sie sich gemeinsam Platz
■ „Wir-haben-es-satt“-Demo
Wo? Berlin Hauptbahnhof
Wann? 19. 1. (12 Uhr)
Im Netz: wir-haben-es-satt.de
■ Land-Grabbing-Berichte
Wo? Markthalle IX (Kreuzberg)
Wann? 17. 1. (19 Uhr)
Im Netz: markthalleneun.de
■ Schnippeldisko
Wo? Markthalle IX
Wann? 18. 1. (18 Uhr)
■ Nachhaltigkeitsmarkt
Wo? Markthalle IX
Wann? 19. 1. (9–16 Uhr)
Sie haben es satt. Seit 2011 treffen sich anlässlich der im Januar stattfindenden Grünen Woche Umwelt-AktivistInnen, Tier-SchützerInnen und LandwirtInnen in Berlin, um gemeinsam gegen die globale Agrarindustrie zu demonstrieren. Konkret richten sich die TeilnehmerInnen der „Wir-haben-es-satt!“-Demonstration gegen die Verletzung des Tierschutzes in Großfabriken, den Einsatz von Gentechnik und Pestiziden und die Nahrungsmittelspekulation. Gleichzeitig prangern sie das voranschreitende Artensterben und das Verschwinden der klassischen Landwirtschaftsbetriebe an. Als Alternative zur industriellen Fertigung von Nahrungsmitteln fordern sie eine soziale, bäuerlich-nachhaltige Landwirtschaft. An dem Protestzug im letzten Jahr beteiligten sich mehr als 20.000 Menschen. „Es geht uns darum, ein deutliches Signal an die Politik zu senden, dass es so nicht weitergehen kann“, sagt Jochen Fritz, Pressesprecher des Bündnisses und Leiter der Kampagne „Meine Landwirtschaft“.
Auch in diesem Jahr geht es am 19. Januar, dem kommenden Samstag, wieder gegen die Agrarindustrie auf die Straße. Die Auftaktkundgebung beginnt um 11 Uhr auf dem Washingtonplatz am Hauptbahnhof, bevor es im Anschluss ab 12 Uhr zum Kanzleramt geht. Rund um den Protestzug sind zusätzlich weitere Termine geplant: Ab 19 Uhr berichten heute Abend AktivistInnen aus Rumänien in der Markthalle Neun in Kreuzberg über ihre Erfahrungen mit Land-Grabbing. Die Nahrungsmittel-Initiative „Slow Food“ hingegen lädt am Freitag, den 18. Januar, am selben Ort zur sogenannten Schnippeldisko. Dort soll zu Musik marktunfähiges Gemüse kleingeschnitten und zu Suppe verarbeitet werden. Und im Anschluss an die Großdemo findet am Abend des 19. Januar im Bi Nuu am Schlesischen Tor ein Gratiskonzert „Deine Stimme gegen Armut“ statt.
Zu den InitiatorInnen der „Wir-haben-es-satt!“-Demonstration gehört die Kampagne „Meine Landwirtschaft“. Ziel der Kampagne ist es, LandwirtInnen und KonsumentInnen enger zu vernetzen und Druck auf die EU-AgrarministerInnen aufzubauen, damit diese die Agrarpolitik sozialer und ökologischer gestalten. Zuletzt machte die Kampagne mit einem „Good Food March“ nach Brüssel auf sich aufmerksam, an dem sich LandwirtInnen und VerbraucherInnen aus verschiedenen europäischen Staaten beteiligten.
Insgesamt rufen in diesem Jahr 35 Organisationen zu dem Protestmarsch auf. Mit dabei sind etwa der BUND, der Tierschutzbund und der Bund deutscher Milchviehhalter. Ins Leben gerufen wurde die Demonstration, um aus dem Protest gegen die Agrarindustrie eine politische Bewegung entstehen zu lassen. Seitdem ist das Bündnis stetig gewachsen. „Wir haben mit unserer Demonstration viel Zuspruch erhalten“, sagt Fritz. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt bei der diesjährigen Demonstration auf der EU-Agrarpolitik. Schließlich wird in Brüssel derzeit über den Agrarhaushalt von 2014 bis 2020 diskutiert. Die AktivistInnen verlangen, die Überproduktion von Nahrungsmitteln zu stoppen und dafür eine bedarfsorientierte Agrarproduktion einzuführen. Das Bündnis verweist immer wieder auf die Zerstörung lokaler Märkte in Entwicklungsländern durch den Preisdruck subventionierter Exportwaren aus der EU.
In diesem Jahr mobilisiert neuerdings auch der deutsche ImkerInnen-Verband zu der Demonstration. Die Beteiligung der ImkerInnen sei eine Reaktion auf das zunehmende Bienensterben, berichtet Fritz. Schuld an dem Phänomen sei der verstärkte Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln, die den Bienen zu schaffen machen. Diese Entwicklung sei gefährlich: Bienen gehören wegen ihrer Bestäubungsleistung zu den wichtigsten Nutztieren. Ihr starker Rückgang würde verheerende Folgen für die Gemüse- und Obstproduktion nach sich ziehen. „Es ist skandalös, wie umweltfeindlich unsere Landwirtschaft zur Zeit noch ist“, sagt Fritz. Ein weiteres Novum der diesjährigen Demo ist, dass auch aus anderen EU-Ländern nach Berlin mobilisiert wird. Aus Polen, Österreich, England, Frankreich, den Niederlanden und Rumänien werden AktivistInnen erwartet.
Zur Auftaktkundgebung des Traktorenzugs vor der Grünen Woche, mit der der Demotag beginnt, wurde indes Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) geladen. Ihr soll ein Papier mit den Forderungen der DemonstrantInnen überreicht werden. Wie Fritz erklärt, sei jetzt die Politik gefragt: „Änderungen müssen nun in den Parlamenten herbeigeführt werden.“ Aber auch an die BewohnerInnen Berlins appelliert Fritz: „Unsere Forderungen erreichen wir nur, wenn Bürger und Bauern gemeinsam auf die Straße gehen“.
LUKAS DUBRO