Khmer-Kracherin Kreuzberg

Musik & Frieden Dengue Fever bringen alte kambodschanische Hits auf die Bühne und alte Männer zum Tanzen

Zuerst eine kleine Übung in Mnemotechnik: Es wäre schön, wenn man sich mal drei Namen merken könnte für das Weitere, nämlich Sinn Sisamouth, Pan Ron und Ros Sereysothea. Also, sprechen Sie es sich langsam vor: Sinn Si-sa-mouth, Pan Ron und Ros Se-rey-so-thea – schlicht aus Respekt vor diesen Musikern wäre das angebracht.

Denn an diesem Mittwoch­abend im Comet – falsch, es heißt ja jetzt samt dem Magnet dank eines neuen Betreibers Musik & Frieden – ging es im Wesentlichen gegen das Vergessen. Auf der Bühne standen mit Dengue Fever ambitionierte Indierocker, die sich vom Rest der Zunft schon mal darin abheben, dass sie einen Saxofonisten in ihren Reihen haben. Den entscheidenden Unterschied aber macht, dass bei der Band aus Los Angeles auf Khmer gesungen wird, was ihr natürlich einen beträchtlichen Vorteil in Kambodscha verschaffen kann, im großen Rest der Welt aber meist kaum verstanden wird.

Großes Pop-Dreigestirn

Das mit dem Khmer als Sing­sprache wäre natürlich ein blöder Witz, wenn es nicht auch inhaltlich unterfüttert wäre. Und da kommen wieder diese drei Namen ins Spiel, Sinn Sisamouth, Pan Ron und Ros Sereysothea (und, klappt es schon?). Die waren mal das große Dreigestirn einer formidablen Popszene in Kambodscha, die in den 60er Jahren in dem südostasiatischen Land blühte und sich mit Lust aus dem Westen kommende musikalische Moden einverleibte und daraus eine faszinierende Mischung aus scheppernder Khmer-­Musik, über Fernost gebrochenen Soul und einen Gamelan-Rock-’n’-Roll schuf, die das Herz eines jeden Garagenbeat-Fans zum Wummern bringen muss.

Bis in die 70er blühte das, was dann mit dem 1975 an die Macht gekommene Schreckensregime der Roten Khmer jäh und für die allermeisten Künstler tödlich endete. Die Roten Khmer machten keine Kulturrevolution in Kambodscha. Sie schafften die Kultur einfach ab.

Nun kann man Musiker totschlagen, die Lieder aber nicht. Und dass diese nicht mehr vergessen werden, dafür sorgen eben jetzt Dengue Fever, die in ihrem Repertoire etliche Kracher des Khmer-Rock haben.

Und weil das derart tanzwütige Nummern sind, die man gar nicht einfach abwartend rumstehend abhaken kann, war das an dem Abend alles andere als eine traurige Khmer-Rock-Gedächtnisveranstaltung, sondern schlicht ein mitreißendes Popkonzert, das so in Phnom Penh wohl nicht wesentlich anders funktioniert als in Berlin – wobei es im proppenvollen Comet (Pardon: Musik & Frieden) dann doch ein besonders anrührender Moment war, als ein älterer Herr aus dem Publikum die Bühne enterte, ein seit drei Jahrzehnten hier lebender Kambodschaner, wie er sagte, und sich mit der Dengue-Fever-Sängerin Chhom Nimol, selbst gebürtige Kambodschanerin, in einer Art Apsara-Tanz in den Liedern wiegte. Möglicherweise waren es die Lieder seiner Jugend.

Ein bisserl gerappt

Wobei Dengue Fever gar nicht nur auf die alten Khmer-Hits setzen. In ihrem eigenen Material verbandeln sie geschickt psychedelische Ausflüge mit dem sehnsüchtigen Schmelz von Fernostmelodien. Zwischendurch wurde ein bisserl gerappt, und weil man es bei Dengue Fever eben mit ambitionierten Indierockern zu tun hat, haben sie doch auch eine große Pophymne auf Englisch verfasst – damit auch in diesem Feld mal ein Hit anfallen könnte.

In den letzten Etappen des Konzerts war es für die Band jedenfalls ein Leichtes, fast das gesammelte Publikum zum Mitsingen zu animieren, was man bei einem eher intimen Indierockabend in Berlin nun auch nicht so oft zu hören bekommt. Zum Schluss jubelnde Begeisterung. Ein wenig gebührte sie auch Sinn Sisamouth, Pan Ron und Ros Sereysothea (na sehen Sie, es geht doch), einer untergegangenen und gar nicht toten Khmer-Rocktradition, die bis in den Merchandise-Stand von Dengue Fever reichte.

Dort nämlich gab es neben den Platten und den üblichen Band-T-Shirts auch noch Kramas zu kaufen, die traditionellen Baumwollschals der ­Khmer. Sie sollen, wurde gesagt, in Kambodscha hergestellt worden sein. Wie sich das in dieser ­Sache ja auch gehört.

Thomas Mauch