Mädchen sind halt die besseren Jungs

DeutschsoulMelancholie wird in flotten Melodien ertränkt: Miss Platnum liefert mit ihrem aktuellen Album "Ich war hier" ein solides Pop-Selfie ab

Übernächstes Wochenende hat sie es dann hinter sich. Dann läuft auf RTL2 das lang und heiß erwartete Finale der aktuellen Staffel von „Popstars“. Okay, in Wirklichkeit sind die Quoten miserabel, kaum jemand will den Aufguss der vor drei Jahren schon mal vorzeitig abgesetzten Casting-Show sehen. Diese Höchststrafe bleibt Miss Platnum erspart, aber man darf sich schon fragen, ob sie sich einen Gefallen getan hat, die Nachfolge von Detlef D. Soost angetreten zu haben.

Womöglich ist es Zufall, dass eine Woche vor dem „Popstars“-Finale nun auch „Ich war hier“, das neue Album der Berliner Sängerin, erscheint. Wahrscheinlicher ist es wohl, dass Miss Platnum und ihr Management vorhatten, die im Fernsehen generierte Medienaufmerksamkeit nutzen zu können. Falls das der Plan war, ist er gehörig schief gegangen. Aber dafür kann „Ich war hier“ ja nichts.

Tatsächlich führt Miss Platnum mit ihrem fünften Album konsequent fort, was sie vor anderthalb Jahren mit „Glück und Benzin“ begonnen hatte. Damals hatte sie sich neu orientiert, ja fast neu erfunden. Als Backgroundsängerin für Peter Fox oder zusammen mit Marteria und Yasha auf dem Nummer-Eins-Hit „Lila Wolken“ hatte sie zwar bereits Deutsch gesungen, aber als Solistin stets Englisch. Auf „Glück und Benzin“ sang sie nun, wie es sich für eine Soul-Diva gehört, weiter von schwerer Kindheit, untreuen Männern und enttäuschter Liebe – aber diesmal auf Deutsch.

Auf „Ich war hier“ werden das Themenspektrum und musikalische Bandbreite erweitert. Die Rhythmen flattern zeitgemäß, sind mal tanzbar und meist radiokonform, die gelegentlich aufscheinende Melancholie wird meist schnell wieder in flotten Melodien ertränkt.

Auch künden nur noch einige wenige osteuropäische Harmonien signalhaft davon, dass Miss Platnum vor 35 Jahren als Ruth Maria Renner und Tochter eines Banater Schwaben im rumänischen Timişoara geboren wurde und erst mit acht Jahren nach Deutschland kam. Ihre Herkunft, mit deren musikalischer Inszenierung sie lange Zeit als selbst erklärte „Balkan-R&B-Queen“ recht erfolgreich eine Nische zwischen Soul und Weltmusik besetzt hatte, ist musikalisch kaum noch zu erkennen.

HipHop als treues Haustier

Stattdessen versucht Miss Platnum, die trotz „Lila Wolken“ nie so recht über den Status einer Lokalheldin hinauskam, sich nun im gelobten, aber bereits übervölkerten Land zwischen modischem R&B und HipHop zu etablieren. Die Stimmgewalt dazu besitzt die Verehrerin von Aretha Franklin sicherlich, trotzdem lässt sie ihre Stimme bisweilen unnötigerweise mit dem allseits beliebten Vocoder aufpeppen, ganz so, wie es Cher vor einigen Jahren popularisiert hat.

An Beyoncé wiederum erinnert die Vorab-Single „MDCHN (Mädchen sind die besseren Jungs)“, in der ein feministischer Standpunkt inhaltlich eher handfest („Wir brauchen keine 20 Bier, um euch anzumachen“), aber dafür im Stil einer modernen R&B-Hymne umgesetzt wird.

Es sind also die Schuhe der allergrößten Diven, in die Miss Platnum zu schlüpfen versucht. Sie selbst sieht sich in einem Song etwas bescheidener als „Mischung aus Cyndi Lauper und ’ner Blues-Sängerin“. An anderer Stelle krönt sie sich selbst zur „Königin“, erklärt HipHop zu ihrem treuen Haustier und setzt schon im Songtitel „Er’s guter Hund“ eine Spitze gegen Bushido, der seine Plattenfirma Ersguterjunge nannte.

Solche Insiderscherze sind allerdings selten. Grundsätzlich ist „Ich war hier“ eine sehr solide Platte, mit der Miss Platnum den nächsten, wohl längst überfälligen Schritt zum Popstar gehen könnte. Jedenfalls wohl eher als jene „Popstars“, die sie als Jurorin am kommenden Wochenende selbst küren wird.

Thomas Winkler

Miss Platnum: „Ich war hier“ (Virgin/ Universal)

Konzert: 15. Dezember, 20 Uhr im PBHFCLUB