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„Die Kraft, umzukehren“

LESUNG Ein neues Buch erzählt von „Lord Henry“, einer Bremer Berühmtheit der 70er und 80er

Helmut Donat

68, ist Historiker und Verleger. Er wurde 1996 mit dem Ossietzky-Preis für seine verlegerische Leistung ausgezeichnet

taz: Herr Donat, was hat Sie dazu bewogen, dieses Buch über das Leben des schwer alkoholkranken Steinsetzers Heinrich Warnken „Lord Henry“ zu veröffentlichen? Mit seinen Eskapaden schockierte er in den 70er- und 80er-Jahren die Bremer Öffentlichkeit, war aber auch für seine äußerst akkurat gesetzten Gehwege bekannt.

Helmut Donat: In erster Linie soll das Buch Mut machen. Dass man, auch wenn man wirklich schon ganz unten gewesen ist, die Kraft hat, umzukehren und ein normales Leben zu beginnen. Henry Warnken kann somit als Vorbild dienen – er hat mit Hilfe der „Guttempler“ seine Sucht besiegt. Das Buch beschönigt aber keineswegs, dass Henry Warnken in seinem Leben Schaden angerichtet hat: Er war gewalttätig und stand mehrfach vor Gericht.

Geht es Ihnen auch um den Verweis darauf, dass schlichtweg jeder alkoholkrank werden kann?

Es wäre wirklich arrogant, wenn jemand behauptet, vor einem Absturz gefeit zu sein.

Also sehen Sie Alkohol als besonders heimtückische Droge an?

Oh ja. Sie ist gesellschaftlich vollkommen akzeptiert und überall präsent. Man wird ja teilweise schon schief angeschaut, wenn man sich der Trink-Konvention entziehen will.

Warum wird nicht mehr dagegen unternommen?

Es steckt natürlich eine gewaltige Verkaufsindustrie dahinter. Denken Sie sich den Alkohol vom Oktoberfest weg – und es wird kaum etwas übrigbleiben. Man müsste viel mehr dagegen vorgehen, politisch und gesellschaftlich, wie dies ja auch schon bei Tabak geschehen ist. Wichtig zu wissen ist, dass es Hilfsangebote wie das der „Guttempler“ gibt, um Betroffenen die Möglichkeit zum Austausch zu geben und sie in der Abstinenz zu unterstützen.

Interview: Constantin Jahn

Buchvorstellung „Lord Henry von Bremen“ (Donat-Verlag): 15.30 Uhr in den Räumen des Bremer Landesverbandes der Guttempler, Vegesacker Strasse 43-45 in Walle

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