: Nach Hause kommen
INTERN Neuer Chef, neue Aufsichtsrätin, neues Haus: Die Genossinnen und Genossen der taz trafen sich am Samstag in Berlin zur General-versammlung
Aus Berlin Annabelle Seubert und Paul Wrusch
Vor Kurzem hat sich Georg Löwisch durch taz.de geklickt und schließlich, im taz-Shop, eine Rubrik entdeckt, an der er hängen blieb: „Tierimmobilien“ heißt die, und zu kaufen gibt es dort unter anderem die „Spatzen-WG“. „Spatzen-WG, das passt zur taz“, hat er gedacht, so erzählt er es am Samstag bei der Generalversammlung in Berlin – seinem ersten Auftritt als neuer Chefredakteur vor rund 320 der insgesamt 15.270 Genossinnen und Genossen, die die Zeitung finanziell stützen. „Der Spatz, das ist das Spielerische“, sagt er, für das die taz stehe – und dass Wohngemeinschaften, das Familiäre, Kommunenhafte, von jeher zu ihr gehörten, sei sowieso klar.
Ab ins Eiswasser
Auch wenn es kitschig klinge: „Es ist für mich ein Glück, wieder bei der taz zu sein.“ Am Dienstag um 8 Uhr hat Löwisch seinen Dienst begonnen, erst mit der Zeitungslektüre, dann der Leitung der Konferenz. Drei Jahre war er Textchef bei Cicero, davor seit 1997 bei der taz. Mittlerweile hat es Tradition, dass Journalismusstudenten der Uni Leipzig hier Volontariate absolvieren – er war damals der erste. „Ich hätte gern ein Volontariat“, habe er zum damaligen Chefredakteur gesagt. Darauf der Chefredakteur: „Wir haben keine.“ Und Löwisch: „Müsst ihr aber.“
Löwisch wurde Reporter, Redakteur im Inlandsressort, später Gründer und Leiter der sonntaz – „Seepferdchen, Bronze, Silber und Gold“ habe er also schon, wie er sagt, weil die diesjährige Generalversammlung in einem stillgelegten Stadtbad stattfindet. Jetzt gelte es, das DLRG-Abzeichen einzusacken, und zu dieser Disziplin gehöre, „dass man ins Eiswasser springen muss“.
Wie aufreibend der Chefposten sein kann, scheinen auch die Genossinnen und Genossen zu ahnen: Als Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch zu Beginn seiner Rede Ines Pohl erwähnt, gibt es sehr langen Applaus. Sechs Jahre war Pohl Chefredakteurin der taz, vor wenigen Wochen hat sie die Zeitung verlassen. Künftig wird sie für die Deutsche Welle aus Washington berichten.
Ihre Amtszeit würdigt Ruch mit der „IPO-Kurve“, die auf der Leinwand hinter ihm die Abonnements der taz seit 2009 zeigt. Die Zahl der täglichen Printabos ist zwar um 22 Prozent auf rund 31.000 zurückgegangen. Dank Wochenend-, Kombiabo, E-Paper und dem freiwilligen Bezahlmodell für taz.de (“taz zahl ich“) hat sich die Gesamtkurve allerdings positiv entwickelt. Besonders das Wochenendabo sei eine „Erfolgsgeschichte“, so Ruch. „Da hatten wir den richtigen Riecher.“
Die nächste Erfolgsgeschichte soll das neue Haus der taz werden, für das im November, wenige hundert Meter entfernt vom bisherigen Redaktionsgebäude in der Rudi-Dutschke-Straße, die Baugrube ausgehoben werden soll. Vor zwei Jahren hat Kalle Ruch die Idee für den Neubau erstmals vorgestellt. „Jetzt sind wir auf halber Strecke“, sagt er. Ziel ist es – trotz aller Vorurteile, die man gegenüber Bauvorhaben in Berlin haben kann –, im Oktober 2017 einzuziehen.
Viel Zeit und drei Wahlgänge braucht es, bis die neue Aufsichtsrätin mit einer nötigen Zweidrittelmehrheit gewählt wird. Die beiden Frauen, die für den Posten kandidieren, kommen beide gut an: Anke Domscheit-Berg, Publizistin und Aktivistin, befasst sich vor allem mit Digitalthemen und ist der taz seit Jahren als Abonnentin und Genossin verbunden. „Ich hänge an der taz“, sagt sie. „Ich will, dass es ihr gut geht.“ Vor allem die digitale Entwicklung der Zeitung sei ihr wichtig.
„Wir wollen beide“
Stefanie Urbach, bislang Ersatzaufsichtsrätin, war viele Jahre Werbeleiterin der taz und arbeitet heute als Marketing- und Kommunikationsberaterin. „Das Gesamtkunstwerk taz hat auch Schwachstellen“, findet sie. Es brauche mehr Ideen, die auch lukrativ sind.
„Können wir nicht beide nehmen?“, fragt da ein Genosse. Aber die Satzung widerspricht ihm, es werden weiter bunte Kärtchen in Urnen gesteckt, und in Runde drei wird Stefanie Urbach Aufsichtsrätin, Anke Domscheit-Berg wird Ersatzaufsichtsrätin.
Weitere Fragen?
„Verzetteln wir uns nicht?“, will Löwisch bei seiner Vorstellung noch wissen: Spatzen-WGs, Abomodelle, Digitalisierung, Hausbau. Und all das in einer „aufregenden Zeit“: während der Medienkrise, während der Flüchtlingskrise. Während „die Auflage bröckelt. Und die ist immer noch unser Kerngeschäft.“
Nein, antwortet Löwisch dann selbst. Denn ein paar der Probleme, die andere Verlage hätten, habe die taz nicht. „Die tazler wissen, warum sie die taz machen.“ Eine Sinnkrise gebe es folglich nicht. „Gefesselt sind wir nicht. Mit Geldknappheit können wir umgehen. Und Kreativität war schon immer unsere Stärke.“
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