: Nicht alles ist Käse
70 Dass er erst 70 wird, merkt man dem „Weser-Kurier“ nichtimmer an
Unternehmensjubiläen sind in der Industrie oft Anlass für kritische Rückblicke. Medienhäuser tun sich damit jedoch schwer, man nehme nur das in die tiefe Nachtschiene versenkte Feature des NDR zu seiner 50-jährigen TV-Geschichte (taz berichtete). Vielleicht überrascht uns der Weser-Kurier (WK) noch zu seinem – Glückwunsch! – 70. Geburtstag.
Aber gerade in Lokalzeitungen ist für Rückblicke meist das Tratsch- und Trutsch-Ressorts zuständig. Und der WK, den jeder, der sich über ihn ärgert seit jeher Käse-Kurier schimpft (dabei ist Käse oft sooo lecker!), ist eine Lokalzeitung. Die einzige in Bremen. Daneben gibt’s nur Anzeigenblätter und Bremen-Seiten von Bild und taz.
Seine Gründung war symptomatisch für die Probleme des Neuanfangs ab 1945. Die US-Militärregierung wollte statt der klassischen Linien- und Parteizeitungen pluralistische Blätter schaffen – durch Personalpolitik. Und so kam es, dass der aufrechte linke Widerstandskämpfer Hans Hackmack zum Herausgeber eines Blattes wurde, dessen Inhalte Mitläufertypen wie Chefredakteur Felix von Eckardt bestimmten. Der spätere Leiter des Bundepresseamtes hatte zuvor kriegswichtige Durchhaltefilm-Drehbücher wie „Kopf hoch, Johannes!“ (1941) und „Leichtes Blut“ (1943) verfasst.
Literarisch im Blut-und-Boden-Segment und als Frömmler tätig war der erste und langjährige Feuilletonchef Manfred Hausmann: Literarturhistorische Bedeutung erlangte er durch eine Verleumdungskampagne gegen Thomas Mann (1947) sowie als hintertreibende Kraft der Vergabe des Bremer Literaturpreises an Günter Grass (1960). Vielleicht liegt’s an diesen Anfängen, dass er so oft so viel älter wirkt als 70, der Käse-Kurier. Dabei ist nicht alles schlecht an ihm. Aber was total toll war schreiben die Kollegen dort bestimmt selbst. bes
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