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Eine Kulturspelunke wandert ab

Tresen Die Kneipe „Rumbalotte Continua“ war ein fester Bestandteil der linken Szene in Prenzlauer Berg, nun ist für die nach einem „blöden Witz“ benannte Bar vorerst Feierabend. Unser Autor erinnert sich

von Helmut Höge

Zwischen 2004 und 2010 veröffentlichte der Prenzlauer- Berg-Dichter Bert Papenfuß eine Folge von sieben Büchern mit dem Titel „Rumbalotte Con­tinua“. Eine Rezensentin des Freitag deutete aus dem Buchtitel, den sie als „lautpoetisches Geschmeide“ bezeichnete, die radikale italienische Organisation Lotta Continua heraus und zugleich einen „blöden Witz“, den man sich googeln könne.

Danach, aber ebenfalls noch 2010, eröffnete Papenfuß zusammen mit Mareile Fellien die „Kulturspelunke“ Rumbalotte Continua in der Metzer Straße. Ihre Kneipe war quasi eine Fortsetzung der Buchreihe, die bis jetzt noch keine Fortsetzung fand. Das gilt nun auch für die Schankwirtschaft Rumbalotte Continua, die gerade vor wenigen Tagen nach fünf Jahren Bestehen dichtmachte.

Mitte Oktober aber soll an gleiche Stelle wieder eröffnet werden. Die neue Betreiberin ist die Bildhauerin Sindy Kliche, die bisher das „Lokal“ in der Knaackstraße bewirtschaftete. Die Gäste in beiden Kneipen ähneln sich. Sie gehören im weitesten Sinne zur alten und neuen Punk-Anarcho-Szene des gentrifizierten Bezirks, das heißt zum „renitenten Rest der Prenzlauer Berg Connection“, wie Bert Papenfuß es sagte. Dazu zählt auch noch die Bar „Luxus“ des Dichters Stefan Döring und die nun ebenfalls geschlossene Staatsgalerie von Henryk Gericke sowie die Zeitungen Abwärts, Floppy Myriapoda und der Basisdruck-Verlag.

Schwanzvergleich

Vor der Rumbalotte-Zeit wurde die Kneipe von einer Frau betrieben, die auch Touristen dort reinlocken wollte – und sie dementsprechend zeitgeschmäcklerisch eingerichtet hatte. Fellien und Papenfuß änderten dann bloß den Namen, setzten die Getränkepreise runter – obwohl ihr Coach vom Jobcenter ihnen geraten hatte, lieber teure Easyjetter-Drinks, so ein „Hawaiigelumpe“, anzubieten – und ließen die Wände von einigen Stammgästen bemalen. Unter anderem von dem militanten russisch-österreichischem Aktionskünstler-Duo Alexander Brener und Barbara Schurz, das zuletzt ein Kitschbild an der East Side Gallery übermalte. In der Kneipe zierten sie die Decke mit einem pornografischen Großgemälde, das nun – obwohl es inzwischen eine hübsche Summe wert sein dürfte – von Sindy Kliche übermalt wird. Auch den Kneipennamen ändert sie – in „Watt“.

Das Wort Rumbalotte und den „blöden Witz“ dahinter hörte ich 1987 erstmalig vom Westberliner Künstler Thomas Kapielski: Drei Matrosen haben sich ihren Schwanz tätowieren lassen und wollen nun wissen, wer den größten hat. Beim Ersten steht „Eva ich liebe Dich“ drauf, beim Zweiten „Alles Fotzen außer Mutti“, und beim Dritten „Rumbalotte“. Die beiden ersten lachen über dieses kurze Wort auf dem kleinen Schwanz. „Wartet’s ab“, sagt der Ausgelachte und bringt seinen Schwanz zur Erektion, woraufhin aus Rumbalotte „Ruhm und Ehre der baltischen Rotbanner-Flotte“ wird.

Der in Greifswald geborene Papenfuß hat eine größere Affinität zur Seefahrt als der Neuköllner Kapielski, der es beim gelegentlichen Erzählen des Witzes beließ, während Papenfuß aus Rumbalotte so etwas wie ein ganzes Lebensabschnittsprogramm machte.

Manches Mal saß hier bloß ein halbes Dutzend Männermit Flaschenbier

Das durchaus Wirkung zeigte: So erschien bereits 2004, im selben Jahr, in dem Papenfuß sein erstes „Rumbalotte Continua“-Buch veröffentlichte, eine Anekdotensammlung unter dem Titel „Rumbalotte. Geschmunzeltes maritim“ von Dieter Flohr und Jark Herbert. Letzterer, ein ehemaliger Kapitän, schrieb auch vier Bücher über die „Volksmarine“. Zuvor hatte er „Seemannsgarn“ in der Betriebszeitung Voll voraus der Deutschen Seereederei (DSR) publiziert, außerdem „Bordgeschichten“, von denen bisher 13 Bände erschienen sind.

2010, in dem Jahr, als Papenfuß’ bis dato letztes „Rumbalotte Continua“-Buch erschien, veröffentlichte der als Westberliner Krimiautor bekannte „ky“ (Horst Bosetzky) einen Roman mit dem Titel „Rumbalotte“, in dem er den Witz variierte. Statt um Matrosen geht es darin jedoch um einen U-Bahn-Fahrer, der einen kurzen Erfolg als zotiger Schriftsteller hat – und dann reumütig zur BVG in den Untergrund zurückkehrt.

In der Kneipe Rumbalotte fanden fast regelmäßig Literaturfestivals statt, es spielten Bands, es gab Filmvorführungen (oft sowjetische Stummfilme), Dia-Shows, Performances und Diskussionen. Trotz alledem saß in manchen Nächten bloß ein halbes Dutzend Männer mit Flaschenbier vor sich an der Theke, während es an anderen Abenden so voll war, dass man nicht reinkam.

Daran und an dem Programm wird sich auch wohl in Sindy Kliches „Watt“ nur wenig ändern. Außer, dass sie die Räume eher mit Jazz als Punk beschallen wird. Zudem haben Mareile Fellien und Bert Papenfuß bereits neue Kneipenräume an Orten besichtigt, an denen sie nicht mehr von „neuen teuren Eigentumswohnungen“ und ihren Besitzern umzingelt sind. Es wird also auch eine „continua“ der Rumbalotte geben.

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