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Kicken gegen die Krise

Niedersachsen-Derby Der VfL Wolfsburg und Hannover 96 trennen sich 1:1. Den einen schadet es kaum, den anderen nutzt es nicht. Aber Hannover verschafft das Remis Luft. Und bei VW kann man über Fußball reden

Gleichstand auch beim Kopfball: Naldo (r.) und Felix Klaus Foto: dpa/steffen

Aus Wolfsburg Peter Unfried

Es wäre unredlich, das mühsame 1:1 des Vizemeisters VfL Wolfsburg gegen den Tabellenletzten Hannover 96 in einen kausalen Zusammenhang mit den Problemen seines Besitzers Volkswagen zu bringen. Klaus Allofs, der Geschäftsführer Sport des VfL Wolfsburg, ist ein Meister der deeskalierenden Kommunikation. „Der Wert der Wirkung des VfL für Volkswagen“ werde sich durch die Krise nicht verändern, pflegt er seit Tagen zu sagen.

Was wohl auch heißen soll, dass es kein Wert ist, der von der Gunst des zurückgetretenen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn abhängig war. Sicher hilfreich für eine Krisenabkopplung ist es, dass bei den für den VfL zuständigen VW-Managern keiner ist, der für den Betrug mitverantwortlich gemacht wird.

Die Profis? Haben das selbstverständlich mitbekommen, sagt Allofs. Dass es sie negativ beeinflusst hätte, dafür gibt es keinerlei belastbare Indizien. Die Konzernkrise nach Bekanntwerden manipulierter Abgaswerte war in der VW-Arena überhaupt nicht präsent. Das hat indes nichts zu sagen, denn das Stadion ist der Ort, in dem sich die Leute jenseits von VW als Wolfsburger erleben wollen. Das ist paradox, da es in dieser Stadt kein Jenseits von VW gibt. Aber es ist so. Nicht mal die Fans von Hannover 96 höhnten oder spotteten.

Wir sprechen also jetzt über ein Fußballspiel, das 1:1 ausging und dabei die Probleme beider Teams sichtbar machte. Dost (40.) traf per Kopf für den VfL, Kiyotake (57.) glich nach Hannovers einziger richtiger Chance aus. 96, das zuletzt immer häufiger als schwächstes Team der Liga bezeichnet worden war, wertet das als Erfolg. Mit gutem Recht. Eine „Leistungssteigerung“ gegenüber den zuletzt fünf Niederlagen in Folge sah Trainer Michael Frontzeck. 96 tat dafür das Richtige, das verständlicherweise nicht das Wahre und Gute war. Man konzentrierte sich auf ein engagiertes und gut gestaffeltes Spiel ohne Ball und einige wenige Umschaltaktionen über Kiyotake. Das tat man so diszipliniert, dass man teilweise Bälle sogar abschenkte, wenn man damit Fußball hätte spielen müssen. Wolfsburgs üblichem geduldigen Ballbesitzfußball hingegen fehlte das Tempo bei der Verlagerung und die Prise Individualismus, die man nicht ein­üben kann. Außerdem hatte 96 die Standards des VfL völlig im Griff.

Weil im Fußball das Irra­tio­nale immer gern beschworen wird, erinnert man Michael Frontzeck daran, dass er seine Rettungsserie der Vorsaison auch mit einem Remis in Wolfsburg startete. Frontzeck und Klubchef Martin Kind haben zuletzt Dissonanzen nach außen kommuniziert. Frontzeck hatte hastige Transfers kurz vor Rundenbeginn als „Aktionismus“ abgelehnt. Kind war dafür.

Kind ist hauptverantwortlich dafür, dass der zuvor abgetakelte Traditionsklub seit 2002 in der Bundesliga spielt, so lange wie nie zuvor. Aber nach den Erfolgsjahren 2011 und 12 mit Mirko Slomka geht es kontinuierlich nach unten. Der Hörgeräte-Unternehmer lebt zwar davon, dass Leute schlecht hören, aber bei seinen Anweisungen mag er das überhaupt nicht.

Kind war nach Spielende mit dem neuen Geschäftsführer Martin Bader in die Kabine marschiert und befand, der Trainer habe sich als „sehr belastbar“ erwiesen. Faktisch ist 96 weiter Tabellenletzter, nächstes Wochenende wird von Frontzeck der erste Sieg erwartet. Zur Vorbereitung geht es in ein ehemaliges Kloster. Entsprechende Witzeleien verbieten sich.

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