Asyle: Das geteilte Hotel

Hostelplätze für Flüchtlinge sind knapp. Dubiose Geschäftemacher nutzen das: Sie sacken Hostelgutscheine ein, ohne die versprochenen Leistungen zu liefern.

Gemeinschaftsküche in Youssef A.s Unterkunft Foto: Youssef A.

Nach taz-Recherchen hat ein Hotel Flüchtlinge aufgenommen, obwohl es nicht berechtigt ist, Gutscheine des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) anzunehmen. Das Hotel in Marzahn steht neben zwei anderen Unterkünften auf einer schwarzen Liste des Lageso – weil es dem Amt durch üble Wohnbedingungen und hygienische Mängel aufgefallen war.

Auf den Hostelgutscheinen, die an Flüchtlinge ausgegeben werden, sind drei Etablissements, eines in Mitte, zwei an derselben Adresse in Marzahn, ausdrücklich von der Kostenübernahme ausgenommen. Doch offenbar missverstehen viele Flüchtlinge die Adressliste als Empfehlung. Haben sie ihren Gutschein erst im Hotel abgegeben, sind sie der Willkür der Betreiber ausgeliefert.

Der Syrer Youssef A. (der volle Name ist der Redaktion bekannt), kam nach eigener Aussage vor etwa einem Monat mit seiner Mutter nach Berlin. Nach zwei Wochen Wartezeit bekamen die beiden vom Lageso einen Hostelgutschein. „Kostenübernahme bei Notunterbringung“ steht auf dem Zettel mit dem offiziellen Briefkopf des Amts, darunter – „ausgenommen“ – das Aap Hotel und das Berlin Hotel, beide an der Allee der Kosmonauten 32.

Die A.s sprachen dort dreimal vor, dreimal wies man sie mit der Begründung ab, alle Zimmer seien belegt. Sie hinterließen ihre Telefonnummer. Dann bekamen sie einen Anruf: Ein Doppelzimmer sei frei, für die Unterbringungskosten von 25 Euro pro Person und Tag müssten sie ihren Hostelgutschein an der Rezeption abgeben. Dass der Gutschein das Hotel ausdrücklich von der Kostenübernahme ausnahm, sagte man den A.s nicht.

Schockierende Zustände

Youssef A., der in Syrien als PR-Berater eines Immobilienunternehmens gearbeitet hatte, sagt, er sei schockiert gewesen vom Anblick des Zimmers im dritten Stock des heruntergekommenen Plattenbaus: „Da waren zwei Metallbetten drin, ein Waschbecken und eine Toilette. Keine Vorhänge, keine Möglichkeit zu kochen oder zu waschen. Vier Nächte und drei Tage waren wir ohne Strom, es war fast wie in Syrien. Als ich nach einer Woche nach frischer Bettwäsche fragte, hieß es, die gebe es nicht. Als meine Mutter sich erkundigte, ob nie geputzt werde, brachte man ihr einen Wischmop. Das könne sie ja selber machen. Dabei sitzt sie im Rollstuhl“. A. machte mit seinem Smartphone Fotos von den Zuständen im Gebäude: Fleckige Matratzen, eine verschimmelte Gemeinschaftsküche mit zwei Kühlschränken und schadhafter Elektrik, die sich nach seinen Angaben rund 100 Flüchtlinge im Haus teilen mussten.

Dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf ist das Hotel an der Allee der Kosmonauten schon seit längerem bekannt. 2013 wurde dem Haus, in dem vor allem osteuropäische Wanderarbeiter wohnten, die Betriebserlaubnis entzogen. Aus Brandschutzgründen wurden ganze Etagen versiegelt. Der Eigentümer quartierte trotzdem illegal bis zu 200 Flüchtlinge ein. Nach einem Masernausbruch wurde eine Quarantäne verhängt.

Inzwischen wechselte der Pächter, das Haus wurde in Teilen saniert und erhielt eine Direktaufschaltung zur Feuerwehr. Der Bezirk bestätigt, das Gebäude sei wieder freigegeben. Trotzdem bleibt der neungeschossige Plattenbau im Visier der Behörden. Besitzer ist ein Geschäftsmann aus Neukölln, der laut Handelsregister seit 2013 Eigentümer der Immobilie ist.

Fatih Turhan, Marketing Manager des Aap Hotels, bestreitet gegenüber der taz alle Vorwürfe. Man habe in den letzten Monaten viel investiert, aktuell verfüge das Hotel über 148 Zimmer mit eigenem Bad und WC. Gewischt werde zweimal täglich, alle zwei Tage gebe es frische Bettwäsche, rund 25 mehrsprachige Mitarbeiter kümmerten sich um die Gäste. Inhaber von Hostelgutscheinen habe man nur wenige im Haus – und diese nur auf ausdrückliche Bitte des Lageso, wie Turhan betont. Vom Sperrvermerk des Amtes will er nichts gewusst haben.

Vorwürfe bestritten

Und die schlechten hygienischen Bedingungen, die verdreckte Gemeinschaftsküche? „Das ist im anderen Teil des Hauses, im Hostel“, ist sich Turhan sicher, nachdem er die Fotos von Youssef A. gesehen hat. Im Gebäude seien zwei verschiedene, voneinander unabhängige Hotelbetriebe untergebracht. „Das Berlin Hotel nebenan führt ein anderer Betreiber. Wir vom Aap Hotel haben gar keine Gemeinschaftsküche im Haus. Wir haben aber vor, eine Küche mit Essraum in den oberen Stockwerken einzurichten – für die Gäste, denen nur wenige Euro pro Tag zum Leben bleiben.“ Angesichts der schlechten hygienischen Bedingungen habe man dem Berlin Hotel vorgeschlagen, dass dessen Gäste „bis zum Bau einer vernünftigen Küche“ das Restaurant des Aap Hotels benutzen könnten.

Ein gutes und ein schlechtes Hotel, die zufällig in einem Haus sind? Eine Internetseite des Berlin Hotels gibt es nicht. Wer danach sucht, landet auf der Seite des Aap Hotels. Auch vor Ort hat man nicht den Eindruck einer klaren räumlichen Trennung: Auf allen Etagen kann man durch Blechtüren vom einen in den anderen Gebäudeteil wechseln, in welchem man sich gerade befindet, ist für Besucher nicht ersichtlich. Lediglich der Gebäudezustand verrät, dass es hier zwei verschiedene Standards gibt: Rechts frisch gestrichene Wände, neuer dunkler Bodenbelag, Zimmer mit Bädern. Links: dreckiges Uralt-PVC, das sich vom Boden wellt, Zimmer, in denen sich Bauschutt türmt, Etagen, auf deren dunklen Fluren augenscheinlich arabisch aussehende Menschen mit Kindern wohnen.

Während es im rechten Teil eine Rezeption mit Empfangsdame, Getränkebar und Sessel gibt, besteht die „Lobby“ im linken Teil aus einem leeren Raum mit ein paar alten Sesseln und einem großen Tisch ohne Schild, hinter dem ein bulliger Typ Blätter sortiert. In der Rezeption des Aap Hotels allerdings befindet sich ein Ordner mit der Aufschrift „Lageso“. Wo also werden die Flüchtlinge wirklich untergebracht?

Auf der Schlüsselkarte für A.s Zimmer steht „Berlin Hotel“ – eingecheckt aber hat er nach eigenen Angaben im Aap Hotel. Ein deutscher Unterstützer, der A. letzten Sonntag begleitete, um seine Sachen aus dem Hotel zu holen, bestätigt das. Die Schlüsselkarte hat A. behalten, als Pfand für den Hostelgutschein, den das Hotel nicht herausgeben wollte.

Die A.s blieben zwei Wochen in dem Hotel. Die Mutter erkrankte und musste ins Krankenhaus. Der Sohn blieb, bis er eines Morgens davon geweckt wurde, dass drei Personen in seinem Zimmer standen, ohne geklopft zu haben. Die Frau und die Männer hätten ihn beschuldigt, im Zimmer geraucht zu haben. Und ihm gesagt, er solle seine Sachen packen. Als A. wenig später mit seinen Taschen an der Rezeption stand, habe man ihm gesagt, es sei nur eine Warnung gewesen. Da man Mitleid mit ihm habe, könne er bleiben. A. musste kurz darauf auch ins Krankenhaus – Nierensteine. Nach seiner Operation will er nicht wieder zurück ins Aap Hotel. Er sucht nach einer neuen Bleibe für sich und seine Mutter.

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