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Verdi-Chef Frank Bsirske hofft auf Wiederwahl

kongress Ein Ereignis nur alle vier Jahre: Die zweitgrößte Gewerkschaft trifft sich in Leipzig

In 1.200 Anträgen steckt jede Menge Sprengstoff

LEIPZIG dpa | Kaum ein Gewerkschaftschef hat in jüngster Zeit so viel Hoffnung und so viel Frust erzeugt wie Verdi-Boss Frank Bsirske. Streiks, mit großen Erwartungen verbunden, legten Kitas lahm und sorgten dafür, dass massenweise Briefe liegen bleiben.

Es waren turbulente, aber nicht immer erfolgreiche Monate für Bsirske. Nun stellt sich die Integrationsfigur der zerklüft.eten 1.000-Berufe-Gewerkschaft zur Wiederwahl. Mehr als 1.000 Delegierte kommen ab Sonntagabend in Leipzig nach vier Jahren wieder zu einem großen Verdi-Bundeskongress zusammen, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird sprechen. Sechs Tage lang nimmt sich die Vertretung von Bankangestellten bis hin zu BestatterInnen Zeit für eine Positionsbestimmung. Am Dienstag wird die gesamte Führungsmannschaft neu gewählt, 14 Posten insgesamt.

In der Aussprache und den 1.200 Anträgen steckt jede Menge Sprengstoff für Verdi. Etwa wenn es um die künftige Organisation des Gewerkschaftstankers mit seinem komplizierten Aufbau mit allein 13 Fachbereichen geht. Etwas mehr als 2 Millionen Mitglieder hatte Verdi zuletzt, hunderttausende gingen in den vergangenen Jahren verloren, zuletzt stabilisierten sich die Zahlen. Trotzdem muss sich die Verdi-Führung eine durchwachsene Erfolgsbilanz vorwerfen lassen.

Der Fall der Post: Verdi kämpfte gegen die Ausgliederung von Paketgesellschaften in die neue Gesellschaft Delivery mit bis zu 30 Prozent schlechterer Bezahlung. Einige Zugeständnisse holte Verdi heraus, den Kampf gegen die Billiggesellschaft hat die Gewerkschaft aber verloren.

Der Fall der Kitas: Im Juni ging der Kita-Streik nach vier Wochen zu Ende, am Ende stand ein Schlichterspruch: 2 bis 4,5 Prozent mehr Gehalt. Die Verdi-Führung konnte sich bei der anschließenden Befragung der Basis aber nicht durchsetzen, die sagte: Nein, zu wenig Geld.

Der Fall Amazon: Hier geht es um die Aufnahme von Tarifverhandlungen, um einen Tarifvertrag, zu dem man den Internethändler bewegen will. Um ein Stück Gewerkschaftskultur im digitalen Zeitalter. Es prallen Welten aufeinander. Seit 2013 schwelt der Streit, ein Ende ist nicht in Sicht.

„Verdi streikt sehr oft und sehr gern, aber ich vermisse, dass sie weiß, was passiert, wenn ein Streik keinen Erfolg hat“, sagt Hagen Lesch, der beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft die Gewerkschaftsszene beobachtet. „Es fehlt eine Spitze, die fragt: Was ist machbar? Und wie kommen wir schrittweise hin?“, sagt er. Chef Bsirske ist nach Leschs Ansicht beim Schritt in die fünfte Amtszeit aber vermutlich unangefochten.

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