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Archiv-Artikel

Nölige Querdenkerin

SINGER/SONGWRITERIN Seit ihrem Soundtrack zu „Magnolia“ ist Aimee Mann mehr als ein Geheimtipp. Jetzt stellt sie nach vierjähriger Pause ihr neuntes Album „Charmer“ vor

Als klassische Songwriterin, die eingängige Pop-Perlen in bester Beatles-Tradition komponiert, hat man es nicht leicht in der schnelllebigen Welt des 21. Jahrhunderts

VON KNUT HENKEL

Aimee Mann kokettiert gern. Zum Beispiel mit dem harten Los, auf Tour gehen zu müssen, um ihr neues Album „Charmer“ promoten – obwohl „die Menschen keinen Cent mehr für Musik ausgeben“. Das war im September, als „Charmer“ gerade erschienen war und die US-amerikanische Sängerin scheinbar um die Butter auf dem Frühstückstisch bangen musste.

Ja, als klassische Songwriterin, die eingängige Pop-Perlen in bester Beatles-Tradition komponiert, hat man es nicht leicht in der schnelllebigen Welt des 21. Jahrhunderts. Das zeigen alternde Fans wie Ex-Beatle Sir Paul McCartney oder Elvis Costello, die der heute 52-Jährigen die Treue halten, oder Hollywood-Macher Paul Thomas Anderson. Der widmete der nöligen Blondine, die sich auf der Bühne gern mit geschmackslosen Krawatten und im Jackett präsentiert, gleich einen ganzen Film – „Magnolie“. Weil er sich in die Songs der Querdenkerin verliebt hatte, die nicht irgendwo, sondern am Berkeley College of Music in Boston studiert hat.

Der reinen Lehre blieb Frau Mann jedoch nicht lange treu. Sie zog es vor, Blickfang der „Young Snakes“, einer freakigen experimentellen Punk-Band, zu werden. Etwas später, 1983, war sie dann dabei, als Til Tuesday gegründet wurde. Die New Wave-Kapelle hatte 1985 gleich mit dem Debüt „Voices Carry“ Erfolg und erhielt einen Grammy als „Best Newcomer“.

1990 nach einem weiteren weniger erfolgreichen Album löste sich die Band auf und Aimee Mann begann solo weiterzumachen. Konsequent, denn in der Band fühlte sich die nicht gerade unter Minderwertigkeitskomplexen leidende Sängerin nicht ausreichend ernst genommen. Das änderte sich mit dem Solodebüt, denn spätestens seit „Whatever“ von 1993 ist sie ein Liebling der Kritik. So hat die altehrwürdige New York Times Aimee Mann als eine der „Besten Musikerinnen ihrer Generation“ gefeiert. Und wo findet sich denn heute auch eine Sängerin, die nicht nur komponiert und erfolgreich Gitarre und Bass traktiert, sondern auch noch betörend singen und leidlich schauspielern kann?

Für Ersteres ist allein das geniale „Charmer“, Titelsong ihres aktuellen Albums, Beleg genug. Aimee Mann, die mit Michael Penn, dem Bruder von Schauspieler und Polit-Reporter Sean, verheiratet ist, hat eine Vorliebe für makellose Melodien, ausgefeilte Texte und eine wohl dosierte Prise Schwermut. Das zeigen Songs wie „One“ oder das grandiose „Wise Up“ von ihrem erfolgreichsten Album „Magnolia“.

Das erschien 1999, aber weil ihr die Plattenfirma Vorschriften machen wollte, klagte sie sich aus ihrem Vertrag, gründete SuperEgo Records und verkaufte ihre Songs fortan per Direktvertrieb über die Website. Konsequent. Dazu passt, dass sie zu den Gründungsmitgliedern von United Musicians gehört, die dafür kämpfen, dass Künstler ihr Urherrecht am Werk behalten.

Für diese Organisation hat sie vielleicht auch schon Ted Leo und seine Pharmacists gewinnen können. Die Indierocker sind nicht nur am Montagabend in der Fabrik im Vorprogramm zu hören.

■ Mo, 21. 1., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36