Die Schrecken des Südens

Ortsbesichtigung Ein Krimi über New Orleans im Chaos der Katastrophe

Hängende Strom- und Telefonkabel, tote Ampeln, geplünderte Häuser in Downtown, die so schwer beschädigt waren, dass sich die Besitzer nicht einmal die Mühe gemacht hatten, die herausgerissenen Fenster mit Sperrholz zu vernageln. Die Aufgabe, die hier bevorstand, war von herkulischer Größe, und das Ganze wurde noch durch ein Ausmaß an organisiertem Diebstahl, Inkompetenz und Zynismus von Seiten der Regierung verschlimmert, das außerhalb der Dritten Welt nirgends seinesgleich hat.“

Der Kriminalroman „Sturm über New Orleans“ erschien im Original 2007. Sein Autor James Lee Burke lebt wie sein Alter Ego, der Sheriff Dave Robicheaux, in New Iberia nordwestlich von New Orleans. Ein stadtbekannter Polizist mit Untiefen: Er ist trockener Alkoholiker und Vietnamveteran.

Burkes Wut über die Zustände in New Orleans und die Korruption beim Wiederaufbau waren 2007 hochaktuell: „Was damals in New Orleans geschah, das war nicht nur eine Naturkatas­trophe, das war das größte Versagen einer Regierung, der denkbar größte Verrat an der eigenen Bevölkerung“, schreibt Burke im Vorwort für den deutschen Leser. Zum Jahrestag der Katas­trophe ist das Buch im Frühjahr 2015 in ­deutscher Übersetzung erschienen.

„Es war der komplette Systemzusammenbruch“, sagte auch David Simon, der Schöpfer der TV-Serien „The Wire“ und „Treme“ im Interview. Wie Simon thematisiert auch Burke die Kriminalität, die Perspektivlosigkeit und vor allem den Rassismus in amerikanischen Städten.

Schauplatz ist das zerstörte New Orleans, in dem Katastrophenprofiteure Geschäfte machen und der Rassismus die Gesellschaft spaltet. Die Geschichte: Ein Priester wird bei dem Versuch erschlagen, Gemeindemitglieder vor dem Ertrinken zu retten. Schwarze Kriminelle kapern sein Boot. Zwei von ihnen werden erschossen.

Zwischen Hochwasser und Not, zwischen Toten und Fäulnis sucht der Sheriff nach dem Todesschützen, den Vergewaltigern eines Mädchens und nach einem monströsen Mörder. Gewalt, Familie, Rassismus spielen die Hauptrollen im vernetzen Gewirr der Ereignisse. „Das alte Schreckgespenst des Südens war wieder da“, schreibt Burke über die damaligen Zustände in New Orleans. „Der totale Hass auf die Ärmsten der Armen.“

„Noch heute“, schreibt die FAZ über New Orleans „sieht man auf Schritt und Tritt Häuserruinen. In weiten Teilen des Lower Ninth Ward aber herrscht eine Leere, die an die Bilder bombardierter Städte Europas nach der Trümmerberäumung denken lässt.“ Edith Kresta

James Lee Burkee:„Sturm über New ­Orleans“. Pendragon ­Verlag, Bielefeld 2015, 576 Seiten, 17,99 Euro