: Rot-Grüns neue schwarze Freunde
PARADIGMEN-WECHSEL
Mitten in der Nacht hämmern sie gegen die Wohnungstür: „Los, Sachen packen, es geht zum Flughafen!“ So brüllen PolizistInnen gern, wenn sie unangekündigt kommen, um Menschen zur Abschiebung zu bringen. Ein Horrorszenario vieler, die im Asylverfahren stecken. Niedersachsen hatte diese unangekündigten Abschiebungen mal abgeschafft, will sie jetzt wieder zur Regel machen.
Vor einem Jahr erst hatte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) einen Paradigmenwechsel in der Asylpolitik verkündet: Sie sollte humaner werden, hatte er gesagt, und zu diesem Zweck den sogenannten Rückführungserlass verhängt. Danach sollten nächtliche Abschiebungen vermieden und Abschiebungen generell mindestens ein Mal angekündigt werden.
Nun hat Pistorius es sich wieder anders überlegt. Am Donnerstag kündigte er im Landtag an, AsylbewerberInnen, die sich noch nicht länger als 18 Monate in Niedersachsen aufhielten und deren Asylantrag abgelehnt wurde, schnell und ohne Ankündigung abzuschieben. Außerdem sollen sie sich nicht an die Härtefallkommission wenden dürfen. Dort werden Einzelfälle geprüft, in denen etwa eine schwere Krankheit dazu führen kann, dass eine bereits beschlossene Abschiebung doch nicht durchgeführt wird.
Während sich die rot-grüne Regierung mit dem erneuten Paradigmenwechsel FreundInnen bei der CDU machte, nannte der Flüchtlingsrat das Verhalten des Ministers „populistisch“. „Es ist Unsinn, eine Gruppe pauschal von der Härtefallregelung auszuschließen“, sagte deren Sprecher Kai Weber – „schließlich geht es dort um die Prüfung von Einzelfällen.“ Insgesamt habe er den Eindruck, der Minister wolle Entschlossenheit vorspielen, ohne dass etwas Handfestes dahinterstehe. Betroffen seien hauptsächlich Balkan-Flüchtlinge und Menschen, die unter Berufung auf das umstrittene Dublin-Abkommen in andere EU-Länder abgeschoben werden sollen. KSCH
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