: Wenn der Kreml wählen lässt
Russland Geburtstagsgeschenk für Premier Medwedjew: Die Kremlpartei Einiges Russland siegt bei den Gouverneurs- und Bürgermeisterwahlen auf ganzer Linie
Aus Moskau Klaus-Helge Donath
Premierminister Dimitri Medwedjew strahlte, als er am späten Wahlabend die Ergebnisse der Kremlpartei Einiges Russland (ER) in der Zentralen Wahlkommission erfuhr. Ob bei Gouverneurs- und Bürgermeisterwahlen oder beim Urnengang für lokale und regionale Parlamente die „Partei der Macht“ – wie sie unzufriedene Bürger einst brandmarkten – lag mit wenigen Ausnahmen weit vorn.
60 Millionen Wähler, fast die Hälfte der Bevölkerung, waren am Sonntag aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. „Die Wahlen zeigen die reale Lage der Partei und unseres politischen Systems“, meinte der Ministerpräsident rundum zufrieden. Es war auch ein üppiges Geschenk zum 50. Geburtstag, den der Premier am Montag beging. Das hätte er sich kaum träumen lassen, als er vor vier Jahren die Leitung der Kremlpartei übernahm.
Bei den Wahlen zu den regionalen Parlamenten holte die ER mehr als die Hälfte aller Stimmen. Auch von den 21 neu zu wählenden Gouverneuren gelangten 19 auf Anhieb ins Amt. Vergessen ist die Zeit, als die ER noch von weiten Teilen der Bevölkerung als „Partei der Gauner und Diebe“ öffentlich geohrfeigt wurde.
Die anderen systemkonformen Oppositionsparteien erhielten zwischen 10 und 20 Prozent, so viel wie ihnen der Kreml auch zugesteht. Die kommunistische KPRF landete auf dem zweiten Platz, gefolgt von der LDPR, der Liberaldemokratischen Partei des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski. Das „Gerechte Russland“ belegte den angestammten vierten Platz. Diese Parteien sind weitestgehend gleichgeschaltet und unterstützen den antiwestlich-militaristischen Kurs der Staatspartei ohne Wenn und Aber. Natürlich kam es vielerorts zu Schummeleien und Betrug. Am Gesamtergebnis hätte indes auch ein tadelloser Verlauf nichts geändert.
Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten hält die Mehrheit der Bevölkerung am System Putin fest. Fragen nach Ursachen der Wirtschaftskrise stellt kaum jemand. Im Gegenteil, die Wähler suchen in den schweren Zeiten eine noch engere Bindung an die politische Führung.
Moskau traut dem Frieden nach den Unruhen von 2011/12 indes nicht mehr. Seither ist der Kreml verunsichert. Wie tief diese Ängste sitzen, zeigte sich vor allem in Kostroma, 350 Kilometer nordöstlich von Moskau. Dies war die einzige Region, in der Vertreter der nichtkonformen Kremlopposition zugelassen wurden. Jedoch auch erst nach juristischem Streit. Die Demokratische Koalition – ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen – wurde mit allen erdenklichen Mitteln diskreditiert. Das Volk wurde öffentlich vor „solchen Gesellen“ gewarnt. „Westlicher Spion“ war einer der harmlosesten Vorwürfe an die Adresse der Opposition. Die Demokratische Koalition schaffte den Sprung ins Parlament nicht. Sie erhielt etwas mehr als ein Prozent statt der erforderlichen 5 Prozent. Die Wahlbeteiligung dürfte hier kaum 30 Prozent erreicht haben.
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