Gute Werkstatt, böses Privatgemach

LIDOKINO 9 Dokumentarfilme über den Regisseur Brian De Palma und den Schauspieler Helmut Berger

Brian De Palma Foto: dpa

Der Lieblingsausruf von Brian De Palma ist „Holy mackerel“, heilige Makrele. Mehrmals hört man die beiden Wörter in „De Palma“, einem Filmporträt von Noah Baumbach und Jake Paltrow. Die Mostra zeigt es außer Konkurrenz; es kombiniert Interviewsequenzen mit Ausschnitten aus „Carrie“, „Scarface“, oder „Mission: Impossible“ zu einem intensiven filmischen Werkstattgespräch.

Das ist überaus instruktiv. Man lernt, warum De Palma Bildkompositionen mag, bei denen ein Objekt weit in den Vordergrund hineinragt, während im Hintergrund auch etwas geschieht – weil sich das Publikum dann entscheiden kann, wohin es guckt. Man erfährt etwas über komplizierte Kamerabewegungen in „Carrie“ oder über Plansequenzen, bei denen die Abwesenheit des Schnitts die emotionalen Entwicklung der Figur besonders greifbar macht. Es macht Spaß, De Palma zuzuhören, etwa wenn er ausführt, wie Sean Penn und Michael J. Fox am Set von „Casualties of War“ (1989) aneinandergerieten und wie sich die Feindseligkeiten positiv auf den Film auswirkten. Zugleich hat er kaum ein Gespür für das, was in seinen Filmen drinsteckt, sobald man in ihnen mehr als handwerkliche Virtuosität entdeckt.

Dass die Frauenfiguren immer wieder brutal umgebracht werden – stellvertretend sei an den riesigen Bohrer in „Der Tod kommt zweimal“ (1984) erinnert –, hat ihm oft den Vorwurf eingetragen, misogyn zu sein. Er verteidigt sich dagegen, indem er sagt, Genrekino sei eben so. Der Gedanke, dass es nicht zufällig so ist, sondern etablierte Blickmuster und -ordnungen wiederholt und dadurch bekräftigt, kommt ihm einfach nicht in den Sinn. Der Film lässt diese kognitive Schwäche anklingen, ohne dass man deshalb den Respekt für De Palma verlöre.

Ein zweiter Film über einen Filmschaffenden ist „Helmut Berger, Actor“ von dem österreichischen Regisseur Andreas Horvath. Während Baumbach und Paltrow einen Rahmen schaffen, in dem De Palma die Schönheit und Fragilität kreativer Prozesse anschaulich macht, bekommt Horvath Berger nie als Schauspieler in den Blick, sondern vor allem als launisches Wrack. Das mag an Berger liegen, der sich selbst als „schwierige Person“ beschreibt; glaubt man Horvaths Bildern, ist er selten nüchtern und ganz bei Sinnen, sind die großen Zeiten, die Auftritte in den Filmen Luchino Viscontis, längst vorbei. Jüngere Arbeiten (etwa in Bertrand Bonellos wunderbarem „Saint Laurent“ aus dem Jahr 2014 gab er den gealterten Yves Saint Laurent) werden erst gar nicht erwähnt; dass er Bekanntschaft mit dem Reality TV machte, als er 2013 im Dschungelcamp gastierte, sehr wohl.

Vor allem sieht man Berger, während er abwechselnd auf Horvath schimpft und dann sexuell um ihn wirbt, oder man sieht eine Haushälterin, die Ordnung in die verrumpelte Etagenwohnung zu bringen sucht. All das birgt wenig, was über den Voyeurismus von RTL hinausginge. Interessanter wird es, sobald Horvath und Berger sicht- und hörbar miteinander ringen. In diesen Momenten traut sich der Filmemacher immerhin, sein Scheitern am Porträtierten auszustellen.

CRISTINA NORD