Birma vor der Wahl: Zähes Ringen um Frieden

Die Regierung und ethnische Rebellengruppen stehen in Birma kurz vor der Unterzeichnung eines Waffenstillstands.

Flüchtlinge in Birma

Flüchtlinge der Kachin im Lager Mai Kaung bei Myitkyina, der Hauptstad des Kachin-Staates in Norden Birmas. Foto: reuters

RANGUN taz | Als die Kämpfe ausbrachen, spülte sie gerade das Geschirr vom Abendessen. Hkangda Bawk Ja und ihrer Familie blieb nichts anderes übrig, als zu fliehen. Viereinhalb Jahre ist das her. Hkangda Bawk Jas Mann ist inzwischen tot, die medizinische Versorgung im Flüchtlingslager ist miserabel. Die Mutter kann es sich nicht leisten, ihre fünf Kinder regelmäßig zur Schule zu schicken. Der Weg dorthin ist gefährlich. In Birmas nördlichem Staat Kachin herrscht Krieg.

Kachin ist nur ein Krisenherd in Birma und Hkangda Bawk Ja nur eine von 100.000 Kriegsflüchtlingen allein in ihrer Region. Sie musste ihre Heimat verlassen, weil 2010 ein langjähriger Waffenstillstand gebrochen wurde.

Damals beutete die Zentralregierung schon seit Längerem die dortigen Jademinen aus und ließ chinesische Investoren einen riesigen Damm bauen. Die Kachin-Kämpfer sollten in die staatlichen Grenztruppen integriert werden, die dem Militär unterstehen.

Birmas Scharmützel gelten als der längste Bürgerkrieg der Welt. Nach über sechs Dekaden könnte er nun beendet werden. Anfang Oktober soll jetzt ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet werden, wie am Mittwoch bekannt wurde.

Bürgerkrieg legitimierte die Macht der Armee

Seit die britischen Kolonialherren das Land spalteten, gleicht es einer Herkulesaufgabe, den Vielvölkerstaat aus über hundert Ethnien zu einen. Jahrzehntelang unterdrückte das Militär die Volksgruppen. Der Bürgerkrieg legitimierte die Macht der Armee, doch 2011 leiteten die Generäle überraschend eine Demokratisierung ein und nahmen wieder Friedensgespräche auf.

Bertil Lintner, Birma-Experte

„Im Friedensprozess wird das Pferd von hinten aufgezäumt“

Vor den Parlamentswahlen im November will die Regierung von Präsident Thein Sein, einem Ex-General, den Waffenstillstand noch für sich verbuchen. Dass dieser eingehalten wird, bezweifeln sogar die Verhandelnden.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass zwei bewaffnete Gruppen teilweise vom Abkommen ausgeschlossen wurden. „Die Kämpfe werden nach der Unterzeichnung des Abkommens erst einmal weitergehen“, sagt Aung Naing Oo. Er sitzt für die Regierung am Verhandlungstisch und ist im Myanmar Peace Center, einer mit EU-Geldern gegründeten Vermittlerinstitution, verantwortlich für den Dialog über Birmas Zukunft.

Welche Rolle wird das Militär künftig spielen? Wie soll mit den Minderheitensprachen umgegangen werden? Wie werden die Ressourcen verteilt? Im Friedensprozess läuft Birmas gesamte demokratische Neugestaltung zusammen.

Föderalismus war lange tabu

Lange war das Thema Föderalismus tabu, lag es für die Zentralregierung doch zu nahe am Albtraum der Abspaltung einzelner Regionen. Das sei nun anders, sagt Aung Naing Oo: „Das Militär ist jetzt bereit, seine Macht aufzugeben.“

Das findet der Birma-Experte Bertil Lintner lächerlich. Der jüngste „Putsch“, bei dem das Militär einen als zu reformorientiert geltenden Präsidentschaftskandidaten der Junta-Partei entmachtete, scheint ihm recht zu geben. „In diesem Friedensprozess wird das Pferd von hinten aufgezäumt“, sagt er. Über die politische Zukunft müsse vor dem Waffenstillstand verhandelt werden.

So sieht das auch Khon Ja vom Kachin Peace Network. Den teilweisen Ausschluss der drei ethnischen Gruppen aus dem Abkommen erklärt sie mit dem Ressourcenreichtum ihrer Regionen: „Das Militär will weder die Ölvorkommen in Rakhine aus der Hand geben noch die Möglichkeit, im Shan-Staat mit den benachbarten Chinesen Deals zu machen.

Auch während jetzt in der Hauptstadt Naypyitaw über Frieden verhandelt wurde und Hkangda Bawk Ja in einem Flüchtlingscamp in Kachin auf eine bessere Zukunft hoffte, schwiegen die Waffen nicht.

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