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Storytelling und Blutwurst

TOURISMUS Ein mobiler Pop-up-Store soll in europäischen Hauptstädten für Berlin werben. Mit High-Tech, Lebensmittelhandwerk und Marketing-Lyrik

„Wir sind hungrig, wir wollen noch mehr Touristen“

Cornelia Yzer, CDU

Dass Wirtschaftssenatorin Yzer (CDU) am Dienstagmittag ausgerechnet ans Brandenburger Tor lädt, um ihr neues Konzept rollender Berlin-Marketing-Busse vorzustellen, mutet erst einmal skurril an. Setzt die Berliner Tourismuswerbung jetzt etwa auf Droschken und Drehorgeln statt auf Kreativwirtschaft? In der prallen Sonne, inmitten von Touri-Gruppen, erzählt Yzer dann einer Handvoll Presseleuten, dass sich der Geist von Berlin in Kameras, Druckern und Socken manifestiert.

Berliner Lebensgefühl

Hightech, Gründer-Spirit und Kreativindustrie, das sind die drei Faktoren, mit denen Yzer für Berlin werben will. Neben knallbunter Fußbekleidung werden auch Brillen, Bier und Fahrräder zwischen September und Dezember durch fünf europäische Hauptstädte touren. Insgesamt 16 Produkte wird es in den in Plattenbau-Optik gestalteten Pop-up-Stores je eine Woche lang zu kaufen geben. Die Auswahl der Produkte und Dienstleistungen, die das Berliner Lebensgefühl nach Paris, Stockholm oder London tragen sollen, haben die Tourismus-Agenturen von visit-Berlin, Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie und der Wirtschaftssenat getroffen.

Kunst und „crazy shit“ haben als Aushängeschild offenbar ausgedient. In ist jetzt „Innovation“: der größte 3-D-Drucker der Welt, die erste 360- Grad-Wurfkamera – alles made in Berlin! Als visitBerlin-Geschäftsführer Burkhard Kieker das zauberstabähnliche Kugelding in die Luft hält, hat er fast so viele Zuschauer wie der Drehleiermann, der ein paar Meter weiter den „Radetzky-Marsch“ kurbelt.

250.000 Euro aus den Erlösen der City-Tax hat Senatorin Yzer in das Projekt „Pop into Berlin“ gesteckt. Das Kalkül: mit den Abgaben der Berlin-Besucher noch mehr Besucher anlocken. „Wir sind hungrig, wir wollen noch mehr Touristen“, sagt Yzer strahlend. Aber auch Kapital und Unternehmen sollen angezogen werden, um die „Maker-Szene“ des „Gesamtkunstwerks Berlin“ zu bereichern. Mit Investorentagen, Gründer-Abenden und Kulturveranstaltungen wolle man die richtigen Leute in die Stadt holen. Die Marketing-Lyrik jedenfalls sitzt bereits.

Alle aufs Fotos

Kurz bevor der „Truck“ mit dem „Pop-Up-Store“ zu Demonstrationszwecken vorfährt, dürfen noch einmal alle mit ihren Produkten aufs Foto. Ein Jungunternehmer hält eine Pappschachtel hoch. In seiner „Food-Probierbox Berlin“ befinden sich Lindenhonig, Bier und Blutwurst. Die Auswahl sei nicht zufällig, versichert der Gründer. „Im Vordergrund steht bei mir das Storytelling, vor allem bei der Blutwurst“. Nina Apin

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