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Archiv-Artikel

Der Hund hätte den Hasen schon gekriegt, wenn …

EUROPA LEAGUE Weil im Spiel des VfL Wolfsburg, sowohl was die Chancenverwertung angeht als auch in der Defensive, die Effizienz fehlt, bleibt das sechste Spiel in der europäischen Eliteklasse das vorerst letzte. Manchester United gewinnt beinahe schon gemütlich

Der deutsche Meister war nicht in der Lage, auf dem nötigen Niveau zu agieren, als es darauf ankam

WOLFSBURG taz | Fußball ist neben vielem anderen auch die große und stets vergebliche Fixierung des Menschen auf den Irrealis. Hätte Barzagli … hätte der Schiedsrichter … hätte Dezko schon in Moskau … Bekanntlich hätte auch der Hund den Hasen gekriegt, wenn er nicht zwischendurch anderes zu tun gehabt hätte. So bleibt nach dem 1:3 des VfL Wolfsburg gegen Manchester United und dem damit verbundenen Verpassen des Achtelfinales der Champions League die Erkenntnis: Der deutsche Fußballmeister war schlicht nicht in der Lage, auf dem nötigen Niveau zu agieren, als es im letzten Spiel der Gruppenphase darauf ankam. Dazu fehlte in der Chancenverwertung wie in der Defensivarbeit das, was man Effizienz nennt und worin sich eben auch Klasse ausdrückt.

Letztlich konnte Manchester das Spiel gemütlich gewinnen, obwohl es gar nicht musste, stark ersatzgeschwächt antrat und ein seltenes 3-5-2 spielte, mit einigen Spielern in Positionen, die üblicherweise nicht die ihren sind. Der von vielen bereits abgeschriebene Exnationalspieler Michael Owen (44., 83., 90+1.) erzielte drei klinische Tore. Edin Dzekos zwischenzeitliches 1:1 (56.) war schön, aber nichts wert.

Allerdings war es für die Wolfsburger erst das sechste Champions-League-Spiel, für Manchester United dagegen das 212. In der positiven Bilanz bleiben drei Heimspiele mit außergewöhnlicher Atmosphäre, laut Geschäftsführer Jürgen Marbach zwischen 28 und 30 Millionen Euro Nettoeinnahmen sowie die Qualifikation für die Europa League. Aber eben auch ein inneres Nagen über die vergebene Chance. Nach derzeitigem Erkenntnisstand wird Manchester in das Achtelfinale begleitet von ZSKA Moskau, das bei Beșiktaș Istanbul 2:1 gewann. Allerdings wird die Uefa am 17. Dezember noch über den Dopingfall der ZSKA-Profis Alexej Beresuzki und Sergej Ignaschewitsch verhandeln, die beim Champions-League-Spiel am 3. November in Manchester positiv waren.

Trainer Armin Veh hatte „kontrolliert gewinnen“ wollen und entsprechend versuchte der VfL tiefer als sonst zu stehen und mit überschaubarem Risiko anzugreifen. Das kann aufgehen, wenn man sehr effektiv ist. Der VfL war es nicht. Barzagli und Misimovic vergaben in der Frühphase des Spiels prächtig herausgespielte Chancen, ein möglicher Strafstoß für den VfL wurde nicht gepfiffen. „Wenn sie da in Führung gehen, haben wir ein Problem“, sagte Manchester Uniteds Manager Alex Ferguson.

Man kann nicht sagen, dass der VfL sich nach der Pause nicht richtig gemüht hätte. Es war die stärkste Phase, in der man den Ball mit großem läuferischem Aufwand zirkulieren ließ. Aber insgesamt gesehen kam offensiv eins nicht zum anderen. Vor allem gelang dem Spielmacher Misimovic nicht ein einziger spielverändernder Ball.

Zwar ist die Innenverteidigung des VfL nicht so schlecht, wie einige sie machen; sowohl Costa als auch Barzagli (abgesehen vom 0:1) machten jeder für sich ein recht solides Spiel. Aber die Defensive als Gesamtkunstwerk funktioniert weiterhin nicht. Owens Kopfball zum 0:1 (44.) war wieder mal ein Treffer, den man in Überzahl kassierte. Vor Owens 2:1 (83.) tanzte der eingewechselte Obertan drei VfL-Spieler aus. „Die Mannschaft hat alles gegeben. Du kannst ihr keinen Vorwurf machen“, sagt Veh. Kämpferisch und läuferisch alles gegeben schon, spielerisch und strategisch alles gebracht indes wahrlich nicht.

Nun kommt am Sonntag Borussia Dortmund, das erfolgreichste Team der letzten Wochen. Das Erfolgsprinzip von Jürgen Klopp besteht in der sehr dosierten Anwendung von Offensive durch sehr schnelle Konterstürmer. Das wird ein echter Härtetest für den modifizierten Fußball des VfL und seine fragile Defensive. PETER UNFRIED