Die Außersozialdemokratische

Ausstieg einer Seiteneinsteigerin: Miriam Meckel weint SPD und Landespolitik keine Träne nach

„Inhalte sind wichtiger, als in Hinterzimmern 27 Bier zu trinken“

AUS ST.GALLENULLA JASPER

So richtig angekommen ist Miriam Meckel in St. Gallen noch nicht. In einer Ecke ihres kleinen Büros stapeln sich Bücherkisten, der Hausmeister hängt gerade die mitgebrachten Bilder auf. Es sieht alles noch etwas provisorisch aus. An den Glamour der Düsseldorfer Staatskanzlei erinnert hier nichts. Gerade erst ist die Kölnerin in die Schweiz umgezogen, und doch scheint die frühere Regierungssprecherin und nordrhein-westfälische Staatssekretärin für Medien, Europa und Internationales die Politik nicht besonders zu vermissen. Statt sich mit dem WDR über Rundfunkgebühren zu streiten oder die hochtrabenden medienpolitischen Träume des Ex-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement zu verteidigen, kehrt sie zurück an die Universität – als Direktorin des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement. Nebenbei baut sie für die Unternehmensberatung Brunswick Group ein neues Büro in Berlin auf. Es scheint, als habe sich die 38-Jährige eine Menge vorgenommen.

Man merkt, dass sie sich auf ihre neuen Aufgaben freut: „Politik ist ein Output-orientiertes Geschäft. Ich wollte endlich wieder mehr Input bekommen – und die Freiheit zu schreiben und zu sagen, was ich denke, auch mal etwas Kritisches.“ Wer sich in der nordrhein-westfälischen SPD umhört, gewinnt den Eindruck, dass Meckel nicht die einzige ist, die sich über ihren neuen Job freut: Viele Düsseldorfer Sozialdemokraten sind nie warm geworden mit der prominenten Seiteneinsteigerin. Allerdings hat sie es den Genossen auch nicht leicht gemacht. Mit ihrer professionell-kühlen Art passte die ehemals jüngste Professorin Deutschlands, die mit 31 an der Uni Münster einen Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaften übernahm, nicht in die Lebenswelt der meisten nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten. Auch nach fünf Jahren blieb sie vielen in der Partei fremd. Sie habe nicht versucht, sich zu integrieren, sagen sie in der SPD.

Ob Meckel heute etwas anders machen würde im Umgang mit den Parteikollegen? Sie zögert einen Moment, rückt die Kaffeetasse zurecht: „Ich glaube, es ergibt keinen Sinn, sich bis ins Extreme anzupassen, um von allen geliebt zu werden. Das funktioniert nicht, und das will ich auch gar nicht.“ Ihr fällt es schwer zu verhehlen, wie abwegig sie die Vorwürfe findet. Schließlich sei es doch wohl wichtiger, mit welchen Inhalten man Politik macht, als in „verrauchten Zimmern mit den entsprechenden Leuten 27 Bier zu trinken“. Ihre Abneigung gegen diese Art von Netzwerkpflege scheint fast körperlich spürbar zu sein. Für eine Sekunde verfinstert sich ihr Gesichtsausdruck. Aber Meckel wäre wohl nicht Meckel, wenn sie nicht auch in diesem Moment jedes Wort, jede Regung unter Kontrolle hätte. Sie schiebt Handy und Organizer zur Seite, lehnt sich zurück und lächelt souverän. „Manchmal merkt man erst mit einigem Abstand, dass die Kreise, in denen man sich jahrelang bewegt hat, doch ziemlich eng gezirkelt sind.“

Vielleicht war die verlorene Landtagswahl im Mai also für alle Beteiligten die beste Gelegenheit, auseinander zu gehen und ein großes Missverständnis zu korrigieren, ohne einen noch größeren Scherbenhaufen zu hinterlassen: Fünf Jahre hat es gedauert, bis beide Seiten eingesehen haben, dass nicht zusammen wächst, was nicht zusammen passt.

Dabei hatte alles scheinbar gut begonnen. Als der damalige Ministerpräsident Clement die Kommunikationswissenschaftlerin 2001 zur Regierungssprecherin machte, gab es von allen Seiten Vorschusslorbeeren. Die Süddeutsche Zeitung feierte sie als das „deutsche Jahrhunderttalent in Sachen Kommunikation“. Stern, Welt, Bunte und Zeit dichteten in patriarchalischer Altherrenart, „blond, blauäugig und blitzgescheit“ sei die neue „Anchor-Frau von NRW“. Und alle Beobachter waren sich einig, dass dem SPD-Mann Clement mit der Medienexpertin ein echter PR-Coup gelungen war: Endlich sollte in die verschlafene Landesregierung ein Hauch von Glanz und Moderne einziehen. New Economy statt Schwerindustrie, war das Motto Clementscher Träume. Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa sollte Nordrhein-Westfalens Medienwirtschaft führend sein, fabulierte er. Das war 1998. Viel übrig geblieben ist davon nicht.

Auch weil Clements Nachfolger Peer Steinbrück, zu dem die Ex- Staatssekretärin ein – wie sie ausdrücklich betont – „sehr gutes Verhältnis“ hat, das wirtschaftliche Potenzial des Mediensektors realistischer einschätzte als sein Vorgänger. Gleich nach seinem Amtsantritt 2003 halbierte er den Medienetat der Staatskanzlei.

Entsprechend hart fiel das Urteil der Presse aus. Die Financial Times Deutschland bezeichnete NRW jüngst als das „Mekka der Medienflops“. Die Liste der gescheiterten Projekte ist lang. Der Musikkanal Viva sendet inzwischen aus Berlin, das Trickfilmzentrum HDO in Oberhausen, einst mit 50 Millionen Euro subventioniert, ist pleite und die NRW Medien GmbH wurde aufgelöst – um nur einige Rückschläge zu nennen.

Noch heute verteidigt Meckel Clements Pläne. Für einen kurzen Moment sitzt sie dann wieder vor einem, die Staatssekretärin und Regierungssprecherin. Abgeklärt und professionell wirkt es, wenn sie darüber referiert, warum die Kritiker mit ihrem Urteil falsch lägen. Die Rede ist vom erfolgreichen Medienstandort Köln, von „aufstrebenden IT-Clustern im Ruhrgebiet“, aber eben auch von der geplatzten Blase der „New Economy“, von schlechter Konjunktur, dem Abschwung und ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, mit denen man leben müsse. Gute Konzepte zur falschen Zeit – das ist ihr Credo.

Doch die vorm Körper verschränkten Arme und der distanzierte Blick können verraten, dass die Medienexpertin keine große Lust mehr verspürt, die Erfolge rot-grüner Medienpolitik zu erklären. Zu lange hat sie das gemacht und zu viel Prügel hat sie dafür eingesteckt in den letzten fünf Jahren. „Erfolglos und ungeschickt“ sei sie, schrieben die einen, die anderen machten sie für eine „erstaunliche Minusbilanz“ verantwortlich. Was noch schwerer wiegt: Zu wenig Rückhalt hat sie von ihrer Partei bekommen. Vielleicht auch, weil es in Wahrheit nie „ihre“ Partei war.

Bis heute ist Meckel kein SPD-Mitglied – und sie wird es wohl auch nicht mehr werden. Allein der Gedanke scheint so abwegig, dass sie lachen muss. Sich „für eine Partei zu committen“, falle ihr schwer, wie sie es ausdrückt. Eine Distanz, die beim „Arbeitgeber“ nicht besonders gut ankam: Sie sei immer die „Parteilose“ gewesen, die, „die auf dem Clement-Ticket in die Regierung gekommen ist“, wie es ein Genosse verächtlich nennt. Mit ihrem Auftreten und ihrer Politik hätte sie vielleicht eher bei der FDP oder den Grünen eine politische Heimat finden können – die Sozialdemokratie konnte sie mit ihren politischen Vorstellungen und ihrem Glauben an Medienboom, IT und New Economy jedenfalls nie erwärmen. Wohl auch deshalb blieb die SPD bei all den Attacken gegen ihr einst hochgelobtes Aushängeschild erstaunlich passiv.

Selbst als ihr Bonus der Anfangszeit endgültig verbraucht zu sein schien und ihr die Fehlschläge in der Medienpolitik persönlich angelastet wurden, konnte sich kaum ein führender Sozialdemokrat dazu durchringen, ihr den Rücken zu stärken. Im Gegenteil. Manch ein Beobachter des Düsseldorfer Politzirkus behauptet, dass viele der Geschichten über Fehler und Fehltritte der Professorin von der eigenen Fraktion an die Presse gestreut worden sind – um die ungeliebte Seiteneinsteigerin wieder los zu werden. Spätestens als Meckel im Mai in einem Zeitungsbeitrag die „populistische Kapitalismuskritik“ der SPD Franz Münteferings anprangerte und der Partei Konzeptlosigkeit vorwarf, war klar – das Kapitel „Meckel“ ist in der SPD beendet. Unglücklich scheint sie darüber nicht zu sein, eher ein bisschen stolz: „Ich war für die immer so eine Art Alien.“