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Archiv-Artikel

„Findet nicht alles geil!“

Der Rapper Bushido über Gewalt, Sex, Frauen, sein Image und seine Verantwortung

INTERVIEW DANIEL BAXUND ZONYA DENGI

taz: Guten Tag, Bushido. Gestern ist der Fastenmonat Ramadan zu Ende gegangen. Hast du denn gefastet?

Bushido: Ein paar Tage lang. Aber wenn man das nicht vom Herzen macht, dann ist das eine reine Alibiveranstaltung. Ich habe viele Freunde, die das extrem durchziehen, und meine Mutter fastet auch. Aber ich mach mich da ein bisschen locker.

Deine Mutter ist Deutsche und fastet?

Ja, meine Mutter ist schon früh zum Islam konvertiert. Sie ist streng katholisch aufgewachsen, und stammt ursprünglich aus Würzburg. Weil sie einen Ausländer geheiratet hat und zum Islam übergetreten ist, war sie das schwarze Schaf der Familie. Mein 18-jähriger Bruder wohnt noch bei meiner Mutter, und ich wohne gleich nebenan.

Weil die Waschmaschine bei deiner Mutter steht?

Eigentlich steht sie unten in der Waschküche. Aber ich benutze die nicht. Was das betrifft, bin ich schon etwas zurückgeblieben. Es ist nicht so, dass ich so ein Macho bin, der sagt, meine Mutter soll das machen. Aber: Mir kommt dieser ganze Komplex Waschmaschine einfach extrem kompliziert vor. Auch wenn ich abends mit meinem Bruder bei meiner Mutter bin, und der ganze Tisch biegt sich unter dem Essen, dann denke ich: Krass, Alter! Ich krieg nicht mal die Pommes in die Fritteuse.

Heute beginnt in Österreich ein Strafverfahren gegen dich. Wie ist es dazu gekommen?

Ich war in Linz, um mein Album aufzunehmen. Abends bin ich dann mit einigen Freunden in die Disco. Irgendwann kam dann Chakuza rein und meinte: Ey, dir haben sie gerade deine Reifen aufgestochen. Draußen vor der Tür gab es dann einen Raufhandel, wie das in Österreich heißt, und im Zuge dessen wurde eine Person verletzt.

Die Anklage lautet auf gefährliche Körperverletzung.

Es heißt, ich hätte dem Jungen mit dem Fuß den Schädel zertrümmert. Aber ich habe ihn weder geschlagen noch getreten. Nur, das hat mir anfangs keiner geglaubt. Jetzt hat man das medizinische Gutachten vom Krankenhaus, in dem drinsteht, dass die Verletzung definitiv nicht durch Fußtritte entstanden sein kann.

Wie siehst du dem Verfahren entgegen?

Ich bin angespannt. Das ist ja nichts Angenehmes. Ich habe mich am Anfang auch schwer getan, überhaupt drüber zu reden, und will das nicht in den Medien breittreten. Ist halt alles ein bisschen dumm gelaufen.

Wieso? Die Sache passt doch zum Image des „Staatsfeindes Nr. 1“. Du hast sogar den Veröffentlichungstermin deines neuen Albums auf den ersten Prozesstag gelegt.

Klar habe ich dadurch noch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aber wenn mir die Plattenfirma vorher angeboten hätte, okay, wir inszenieren das jetzt, und du gehst für ein paar Tage in den Knast, dann hätte ich auf jeden Fall gesagt: Nee, da habe ich keinen Bock drauf.

Wie war die U-Haft in Österreich denn so?

Ich habe den Eindruck, dass die Uhren in Österreich ein wenig anders ticken als hier. In Linz haben sie mich gleich in eine Zelle mit drei anderen Leuten gepackt. Die ersten zwei Tage habe ich erst einmal nur Leberkäse bekommen, dem habe ich dann gegen Gurken und Nutella getauscht. Ich hoffe, ich muss da nicht wieder hin.

Dein Album spielt ja mit deinem Outlaw-Image. Wie viel Sympathie hast du mit solchen Outlaw-Figuren?

Eigentlich sympathisiere ich überhaupt nicht mit Leuten wie Bin Laden oder der RAF, die überall Angst und Schrecken verbreiten. Ich halte auch nicht viel von Verbrechern und Sträflingen: Die meisten wissen schon, warum sie im Knast sind. Ich habe auch nichts gegen den Staat, im Gegenteil: Ich bin jemand, der seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachkommt. Ich zahle meine Steuern, gehe wählen, halte mich ans Gesetz und versuche, meiner Umgebung kein Dorn im Auge zu sein.

Davon merkt man allerdings wenig, wenn man dein Album hört.

Das ist halt immer ein Drahtseilakt. Ich merke erst jetzt, dass ich für tausende von Kids ein Vorbild darstelle, und dass sie an meinen Worten hängen wie Kletten. Damit muss ich erst einmal klarkommen. Bis jetzt hatte ich nur meine Mama, meinen Bruder und drei, vier sehr gute Freunde, für die ich verantwortlich war. Und jetzt soll ich die Verantwortung für die gesamte Jugend tragen?

Bist du vorsichtiger geworden? Drei deiner Alben sind ja auf dem Index gelandet.

Ich bin immer noch der Meinung, ich könnte über fast alles rappen. Aber es gibt ein paar Sachen, die sollte man nicht machen.

Zum Beispiel?

Ich werde nie wieder Gewalt in Verbindung mit Sex darstellen: Das wird sofort indiziert. Ich bin jetzt sehr bewandert, was Indizierungsverfahren betrifft. Man wird da von der Bundesprüfstelle vorgeladen und muss erklären, wie bestimmte Textzeilen gemeint sind. Wenn ich rappe, dass ich die Atombombe über China zünde, das kann ich plausibel machen, dass das mit der Realität nichts zu tun hat. Wenn ich aber schreibe „ich schieb dir meine Faust in den Arsch“, dann gibt es da nichts zu erklären – das wird sofort indiziert. Also mach ich das nicht mehr, weil ich weiß, da hab ich überhaupt keine Chance.

Gibt es auch Sachen, die du aus besserer Einsicht nicht mehr machst?

Wenn man mir vorwirft, ich wäre ein Nazi, nur weil ich in einem Song von „Tunten vergasen“ gesprochen habe, dann sage ich auch: Krass! Mag sein, dass ich mich da nicht verständlich genug gemacht habe. So will ich nicht wahrgenommen werden. Dann lieber als frauenfeindlich. Es gibt ja viele Adjektive, die mir am Arsch kleben.

In deinen Texte gibt es neben „Engeln“ nur noch zwei Typen von Frauen: Mütter oder Nutten, manchmal auch in Personalunion. Kennst du keine Zwischentöne?

Doch, selbstverständlich. Ich habe vielleicht zehn verschiedene Frauenbilder im Kopf: Eins davon ist die Mutter, eins die Nutte. Dazwischen gibt es aber noch acht verschiedene andere Sorten von Frauen. Nur, in der Musik differenziere ich nicht so. Es ist ähnlich wie beim Sex: Wenn ich nicht kuscheln will, dann will ich halt nicht kuscheln. Im Rap will ich auch nicht die Welt retten.

Es gibt Mädchen, die sich darüber beklagen, dass Sie in der Schule als Nutten beschimpft werden. Trägst du nicht dazu bei, dieses Problem zu verstärken?

Klar, manche Jugendschützer und Pädagogen werfen mir das vor. Aber ich sage meinen Fans auch: Jungs, findet nicht immer alles geil, was ich mache. Seid nicht wie die Lemminge und hängt euch an meinen Schwanz, sondern nehmt mich kritisch wahr. Man muss schon in der Lage sein, Musik von der Realität unterscheiden zu können. Es gibt viele Möglichkeiten, jemanden falsch zu verstehen. Wenn man mich falsch versteht, dann kann man sagen: Ja, Frauen sind Nutten, Mütter sind Schlampen, Koksen ist cool und Berlin ist voll krass.

Dein Kollege Kool Savas hat an der Kampagne „Du bist Deutschland“ mitgewirkt. Auch in deinen Texten kommt Deutschland recht häufig vor. Da heißt es: „Wir regieren Deutschland, wir sind die Stimme der Nation.“ Repräsentierst du etwa das wahre Deutschland?

Damit will ich sagen: Egal, wie sehr die Leute mich verteufeln, egal, wie viele Leute meinen, ich gehöre verboten – ich bin die Stimme der Jugend. Und die steht hinter mir. Außerdem will ich damit zeigen, dass Deutschland nicht mehr nur deutsch ist. Die Leute müssen halt akzeptieren, dass jemand wie ich sagt: Ja, auch ich bin Deutscher.

Manchen macht diese Vorstellung Angst. Du pflegst ja das Image des kriminellen Ausländers.

Stimmt, und ich bediene natürlich diese Ängste. Weil ich diese ganzen Ängste, diese Vorurteile einfach nur lustig finde: Etwa, dass jeder Muslim gleich ein Terrorist ist. Deswegen gucken manche Deutsche gleich zu Boden, wenn ich nur auf der Straße laufe. Weil sie denken: Mein Gott, da kommt der böse Araber, der kein Deutsch kann, meine deutsche Freundin bumst und Sozialhilfe erpresst. Wie schwach muss man denn sein, um vor solchen Klischees so viel Angst zu haben?

Könntest du dir vorstellen, deine Bekanntheit einzusetzen, um die Klischees zu brechen?

Oh je. Wenn ich zu etwas eine Meinung habe, im privaten Leben, dann teile ich die auch mit. Aber viele Kampagnen gehen einfach in die falsche Richtung.

Über Berlin hinaus hat der Ehrenmord an Hatun Sürücü für viel Aufsehen gesorgt. Könntest du dir vorstellen, vor diesem Hintergrund an einer Kampagne für Frauenrechte teilzunehmen?

Ich bin gerade erst wieder am Tatort vorbeigekommen. Das, was da passiert ist, ist absolut nicht vertretbar. Also, wenn ich jetzt der Meinung bin, ich muss den Frauen helfen, die durch ihre Brüder terrorisiert werden, dann mache ich das auch. Ich bin immer dabei, solange es nichts Lächerliches ist. Jetzt plane ich gerade so eine kleine Knasttour durch Deutschland. Ich mache das aus eigenen Stücken, denn ich habe festgestellt, dass ich extrem viel Fanpost aus dem Knast bekomme. Ich erkenne die meistens schon an der krassen Rechtschreibung! Darum besuche ich jetzt ein paar Jugendvollzugsanstalten und Heime. Ich fahre da hin und setze mich mit den Jungs da mal hin. Ich will denen zeigen, dass du als Knasti auch nicht vergessen wirst.

Kannst du nachvollziehen, was einen jungen Mann wie den Bruder von Hatun Sürücü dazu gebracht hat, einen solchen Mord zu begehen?

Ich kenne Leute, die das okay finden und sagen, sie würden das auch machen. Mit denen streite ich mich. Gut, ich habe keine Schwester und ich bin froh, dass ich keine habe: Ich meine, ich würde ihr vielleicht nicht nahe legen, am Wochenende in die Disco zu gehen. Aber ich würde ihr sicher nicht in den Kopf schießen. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Wie kann man seine Schwester umbringen? Das geht für mich gar nicht.

Bist du schon oft gefragt worden, bei irgendwelchen Kampagnen mitzumachen?

Ich bin SPD-Wähler und wurde auch schon von der SPD angesprochen, ob ich nicht im Wahlkampf mitmachen möchte. Aber auch da bin ich grad sehr erschüttert. Ich weiß nicht, ob ich nächstes Mal wieder die SPD wählen werde.