: Die Energiewende vorantreiben
betr.: „Gewerkschaften nun pro Atom“, taz vom 26. 10. 05, „Atomlobby tut was für ihr Geld“, taz vom 27. 10. 05
Dass die „oligopolen marktbeherrschenden Energiekonzerne E.on, RWE, Vattenfall und der EnBW“ sich für Ihre abgeschriebenen Atomkraftwerke (AKW) einsetzen, ist verständlich. Bekanntlich sind abgeschriebene (Strom-)Produktionsmaschinen für jedes Unternehmen immer eine Art „legale Gelddruckmaschine“. Warum bzw. für welchen Preis sich jetzt auch ein Teil der Gewerkschaften für diese hochgefährlichen altersschwachen Atomstrom-Produktionsmaschinen einsetzen, wird wohl ein (Schweizer Bank-) Geheimnis bleiben?! Die Atomindustrie schaffte es bis heute, folgende erschreckenden Fakten den meisten Bundesbürgern zu verheimlichen:
a) Die Atomindustrie ist die einzige Industrie in Deutschland bei der nicht einmal ein Prozent des jederzeit möglichen Super-GAU-Schadens versichert sind. Wenn jemand sein Auto so unterversichert und damit trotzdem fährt, verliert er gnadenlos seinen Führerschein. Hintergrundinfos dazu erhältlich über die Nobelpreisträgerorganisation IPPNW.
b) Uran wird in ca. 45 Jahren versiegt sein – die Sonne wird im Vergleich dazu noch ca. 60 Milliarden Jahre scheinen.
c) Bis heute hat kein Staat der Welt ein sicher funktionierendes Endlager für die sehr giftigen und hochradioaktiven atomaren Abfälle gefunden.
d) Unsere Atomkraftwerke sind laut geltendem Atomgesetz illegal, da sie nur laufen dürften, wenn die Entsorgung gesichert ist. Die zurzeit bestehenden Zwischenlager sind keine Entsorgungslösung für den Jahrtausende strahlenden Atommüll.
e) Die komplette Erneuerbare Energiewende ist laut diversen Studien technisch problemlos möglich.
f) Bereits heute arbeiten mehr Menschen in Deutschland in der Erneuerbaren Energieindustrie (über 120.000 Menschen) als in der Atom- und Kohleindustrie zusammen.
g) Über zwei Milliarden Menschen ohne Stromanschluss meist in sonnenreichen südlichen Ländern (Afrika, Lateinamerika etc.) hoffen auf massenhaft hergestellte und damit erschwinglichere Erneuerbare Energietechniken.
h) Die fossile Öl-, Kohle- und Gasindustrie und die Atomindustrie versuchen seit Jahren die Energiewende zu verhindern. Da die erneuerbaren Energien dezentral auf die Erde auftreffen, muss man sie dezentral ernten, und das würde automatisch ihre Stromerzeugungsmonopole zerstören. Jeder weitere unsinnige Bau oder sinnlose unnötige Weiterbetrieb von AKWs, egal wo auch immer auf der Welt, verzögert die erfolgreich eingeleitete Energiewende. Wenn wir nicht weiter die Energiewende stark vorantreiben, werden die weltweit boomartig wachsenden Erneuerbaren Energieweltmärkte in Zukunft von Japanern, Chinesen etc. bedient. Zur Zeit ist Deutschland immer noch unumstrittener Windenergieweltmeister und bei der Photovoltaik mit Japan zusammen in weltmarktführender Stellung. Nur wenn Deutschland auf dem erneuerbaren Weg bleiben wird, wird es der Welt zeigen das unsere Gesellschaft als Ganzes erneuerbar und zukunftsgerichtet ist.
FRANK WINKLER, München
Seit meiner Berufsausbildung im Jahre 1988 bin ich Gewerkschaftsmitglied. Inzwischen bin ich bei Ver.di gelandet. Ich finde es einen absoluten Hammer, dass Ver.di sich für die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke stark macht – ohne die Mitglieder in dieser entscheidenden Frage gehört zu haben! So etwas trage ich nicht mit! Ich protestiere aufs Heftigste gegen diese Parteinahme für eine der gefährlichsten Technologien, die die Menschheit je entwickelt hat. Ich fordere eine Rücknahme der Erklärung sowie eine Mitgliederbefragung zum Thema Atomausstieg. Da Dank des Ver.di-Vorstoßes nun auch schon die Ersten in der SPD laut über einen Wiedereinstieg in die Atomenergie nachdenken, ist für mich glasklar: Sollten die Koalitionsverhandlungen einen Wiedereinstieg in die Atomkraft ergeben, trete ich aus beiden Organisationen aus. Basta!
PAUL HOCHMANN, Haltern am See
Wer hätte das gedacht, da stellen sich zwei Gewerkschaften auf die Seite der Atommonopolisten und singen deren Lied. Von der IG BCE ist das nicht allzu überraschend, von Ver.di allerdings konnte man bisher die Verbreitung der schönen Geschichte vom „Atomkonsens“ als dem einzig wahren Weg als sicher annehmen. Doch in dieser Woche scheinen dem Hannoveraner und Ver.di-Chef Frank Bsirske seitens der Strahlemannkonzerne RWE, E.on, usw. neue Notenblätter vorgelegt worden zu sein. Über Nacht und aus mysteriösen Gründen ist aus dem überzeugten Gorleben-Gegner („der Standort ist ungeeignet“) ein Befürworter weiterer Erkundungen geworden. Bloß was wollen die Leute dort noch erkunden? Bereits seit Mitte der Achtzigerjahre wissen die Verantwortlichen, dass der strahlende Müllberg, der sich durch den „Konsens“ noch verdoppeln wird, im Salzstock nicht für den unglaublichen Zeitraum von mehreren 10.000 Jahren von der Umwelt abgeschottet werden kann! Wie gehen die verantwortlichen Politiker aber damit um? Anstatt die Suche nach einem besseren Standort sofort einzuleiten, spielen sie auf Zeit und „erkunden“ in Gorleben weiter. Die als Erkundungsbergwerk titulierte Anlage ist aber während der ganzen Jahre klammheimlich bereits auf Endlagergröße ausgebaut worden, was der scheidende Umweltminister Trittin in einem lichten Moment korrekt als Schwarzbau bezeichnete. Und dies hat keiner der Politiker gewusst?
Was fordert der ansonsten so atomkritische Bsirske noch mit seiner Unterschrift? Längere AKW-Laufzeiten, Lockerung des Emissionshandels und eine Streckung der Kohlesubventionen! Willkommen in der Vergangenheit, Ver.di! Besser wäre es gewesen, sich Gedanken über Einsparmöglichkeiten im Energiebereich zu machen, eine Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung zu propagieren und die Dezentralisierung der Energieerzeugung zu fordern und damit sowohl Leitungsverluste zu vermindern als auch die regionale Wertschöpfung zu stärken! Eine Vielzahl an Energieversorgern hätte allerdings verheerende Folgen für unsere Demokratie! Es gäbe Konkurrenz und wäre nahezu unmöglich, die so reibungslos funktionierenden Preisabsprachen fortzuführen oder sich Gewerkschaftsfunktionäre und/oder Politiker zu kaufen.
ANDREAS STROHMEYER, Affinghausen
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.