: Paid Springer am Stück
PRESSE „Bild“ und „Welt“ gegen Geld auf dem Handy: Der Axel-Springer-Verlag startet seine angekündigte Bezahlinhalte-Initiative. Regionalnachrichten nur noch teilweise gratis. Ob die Leser anbeißen, ist fraglich
VON BEN SCHWAN
BERLIN taz | Aufregung im Axel-Springer-Haus in der Berliner Rudi-Dutschke-Straße: Am Mittwoch stellten die Manager des Verlagsriesen endlich ihre lang angekündigte „Paid Content“-Initiative vor. Damit sollen aus Lesern im Internet, die bislang alle Inhalte gratis konsumieren, zahlende Kunden werden. Verlegerboss Mathias Döpfner treibt das Projekt schon seit Monaten um, sein „Außenminister“ Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer mit dem schönen Titel „Head of Public Affairs“, verkündete erst am Montag in der „New York Times“, die „Kostenlosphilosophie“ müsse aufgegeben werden. „Eine hoch industrialisierte Welt kann nicht von Gerüchten leben. Sie braucht Qualitätsjournalismus, und der kostet Geld.“
Die neue Springer-Offensive hat mehrere Speerspitzen. Die wichtigste sind kostenpflichtige Anwendungen für Apples „Wunderhandy“ iPhone, die künftig für die Titel „Welt“ und „Bild“ verkauft werden. 1,59 Euro soll es künftig pro Monat kosten, um das Boulevardblatt multimedial mit Bildern und Videos auf dem Handy zu lesen, 2,99 Euro werden für die „Welt“ fällig. Zusätzlich verkauft Springer auch noch die jeweils nächste Ausgabe der Zeitung am Tag vorher als Computerdatei (PDF) – dann sind die Abos für 3,99 Euro („Bild“) und 4,99 Euro („Welt“) zu haben. Das geplante Abomodell verlangt allerdings die Mitarbeit der Nutzer: Die müssen alle 30 Tage neu bestätigen, dass Springer die Monatsgebühr von ihrer Kreditkarte einziehen kann, die in Apples Programmladen für das iPhone hinterlegt ist. Außerdem kann man auch auf dem Handy „Bild“ und „Welt“ weiterhin kostenlos lesen, wenn man die eingebaute Internet-Browser-Software nutzt. Die geplante Surfsperre für das Gerät will Springer nämlich zunächst nicht umsetzen.
Speerspitze Nummer zwei im neuen Paid Springer-Universum sind kostenpflichtige Inhalte direkt im Netz. So ist geplant, die Regionalteile von „Berliner Morgenpost“ und „Hamburger Abendblatt“ nur noch gegen Bezahlung anzubieten. Laut dem Fachdienst „Meedia“ soll eine „Flatrate“ für diese Neuigkeiten, die in Berlin beispielsweise der öffentlich-rechtliche RBB oder der konkurrierende „Tagesspiegel“ weiter gegen GEZ-Gebühr bzw. kostenlos liefern, 5 Euro pro Monat kosten. Auch Archivinhalte soll es nur noch gegen Bezahlung geben. Ein Micropayment, also die Bezahlung pro Artikel, sei zunächst nicht geplant.
Hieß es viele Jahre lang, Nutzer würden für Inhalte im Netz schlicht nichts zahlen und die Werbefinanzierung wie beim Privat-TV sei das einzig Richtige fürs Geschäft, fährt nun die ganze Branche unter Volldampf in die entgegensetzte Richtung. So hatte die „New York Times“ zwischen 2005 und 2007 ein mit rund 225.000 Abonnenten durchaus erfolgreiches Bezahlmodell eingeführt, bei dem die viel gelesenen Kolumnistenstücke hinter einer „Pay Wall“ verschwanden. Es wurde eingestellt, weil angeblich zu viele Werbekunden absprangen. Heute überlegt die von Schulden gebeutelte Redaktion, wie sie ihre Internet-Leser mit „Premium Services“ wieder zu direkt zahlenden Kunden macht – beispielsweise durch Spezialveranstaltungen mit Promis für Mitglieder oder einem direkten Draht zu den Journalisten gegen Monatsgebühr.
Auch Rupert Murdoch von der News Corporation, dem konservativen australoamerikanischen Verlegerriesen, der heute zu den größten Bezahlinhalte-Schreiern gehört, erwog nach Übernahme des „Wall Street Journal“ im Jahr 2007, dessen Paid-Content-Service einzustampfen, um mehr Leser („Eyeballs“) für Werbungtreibende zu gewinnen. Dabei galt der mit einer Million Abonnenten und Preisen von 120 Dollar im Jahr als echte Cashcow. Inzwischen will Murdoch auch bislang freie Zeitungen wie die „Times“ oder die „New York Post“ kostenpflichtig machen und von Google Geld wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen sehen.
Springers neue Bezahl-Initiative ist nur der Auftakt. Andere Verlage planen ähnliche Projekte. So will etwa die MDS-Gruppe mit „Frankfurter Rundschau“, „Berliner Zeitung“ und „Kölner Stadtanzeiger“ Bezahldienste einführen, eventuell sogar pro abgerufener Seite, wie der neue starke Mann im Verlag, Verlegersohn Konstantin Neven DuMont, in Interviews ankündigte.
Noch ist allerdings völlig unklar, wie die Leser reagieren werden. Studien ergaben, dass schlimmstenfalls nur 10 Prozent der Nutzer bereit sind, kleine Beträge für Internetinhalte zu bezahlen. Zumal es längst außerhalb der Verlage alternative Nachrichtenquellen wie Weblogs oder den Kurznachrichtendienst Twitter gibt. Die könnten die professionellen Inhalte der Verlage jedoch nicht ersetzen, glauben diese. Für die Journalisten erhöht sich unterdessen der Druck: Sie müssen wegen der in der Medienkrise vorgenommenen Entlassungswellen in immer kleineren Redaktionen immer mehr arbeiten.