: „Sie leidet ohne Ende“
HÖRKINO Das Feature „Das Ehebruchskind“ lotet Abgründe bürgerlicher Verwahrlosung aus
58, freier Journalist und Autor, lebt in Potsdam. In Bremen hat er 2004 mit Beate Hofmann die Reihe Bremer Hörkino gegründet, die monatlich ein Radiofeature vorstellt.
taz: Herr Kowalczyk, sollte der Titel Ihres Radiofeatures absichtlich altbacken klingen?
Charly Kowalczyk: Nein, eher nicht. Aber Ehebruchskind ist der juristische Fachbegriff im Schweizer Recht: Vor 1978 geborene außereheliche Kinder heißen dort so. Damit wurde sozusagen die Vaterschaft negiert: Domenica, deren Geschichte ich erzähle, bekam zwar Unterhalt, aber die Kinder wurden rechtlich nicht anerkannt – und hatten daher auch keinen Erbanspruch.
Also spielt eine entscheidende Rolle, dass ihr Vater ein Schweizer Fabrikant war, denn im deutschen Recht ist das ja anders, oder?
Auch im aktuellen Schweizer Recht ist das anders, seit 1978 gilt dort ein neues Familienstandsrecht – aber eben nicht rückwirkend.
Ist das ein Fall, der die grundsätzliche Ungerechtigkeit des Erbrechts besonders artikuliert?
Das ist nicht mein Thema. Klar, das Erbrecht könnte man von mir aus abschaffen, aber es ist ja eine gesellschaftliche Realität. Dass es im 21. Jahrhundert aber noch einen Unterschied macht zwischen unehelichen und ehelichen Kindern ist einfach absurd.
Und hart für die Betroffene?
Ja, das ist der Punkt: Es geht nicht ums Geld, um Gottes Willen, sondern darum, dass durch das Erbrecht Domenicas Zurückweisung, unter der sie leidet ohne Ende, über den Tod des Vaters hinaus bestätigt wird.
Die Eltern haben sich, als ihre Beziehung zerbrach, bekämpft?
Ja, und ihre Tochter dabei zugrunde gerichtet. Das Ganze ist ein Abgrund bürgerlicher Verwahrlosung: Bis sie vier war, ist der Vater mit Domenica noch bei seinen Aufenthalten in Hamburg spazieren gegangen. Dann hat er sie quasi von einem Tag auf den anderen verstoßen. Und für die Mutter war sie nur der Ausdruck ihrer enttäuschten Liebe.
interview: bes
Hörkino „Das Ehebruchskind“: 20 Uhr, SWB-Kundencenter
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