: „Wir werden eine Kriegskasse anlegen“
BEIFANG Auf dem Fischereitag in Rostock schimpfen die Fischer über die Regelungswut der EU und auf die Willkür der Umweltverbände. Sie wollen vor allem ihre aus Versehen gefangenen Fische weiter zurück ins Meer werfen dürfen
Im Foyer liegt in einem Sarg symbolisch „der letzte Küstenfischer“, im Saal fallen harsche Worte. „Erbitterten Widerstand“ gegen ausufernden Naturschutz in Nord- und Ostsee, kündigt Holger Ortel, Präsident des Deutschen Fischerei-Verbands (DFV), an. „Wir werden eine Kriegskasse anlegen für Gutachter und Anwälte, um die substanzlosen Prognosen der Berufsalarmisten zu widerlegen.“
Der große Beifall auf dem Deutschen Fischereitag in Rostock zeigt, dass Ortel seiner Mitgliedschaft aus dem Herzen spricht: Deutschlands Berufsfischer sind auf EU und Meeresschützer nicht gut zu sprechen. Im Zentrum ihrer Kritik steht die neue europäische Fischereipolitik, die verstärkt auf nachhaltiges Fischen setzt.
Auf der Ostsee gilt deshalb seit Jahresbeginn ein Rückfangverbot für die meisten Fischarten, in anderen EU-Meeren wird dies schrittweise eingeführt. Dann dürfen Fischer unbeabsichtigten Beifang von zu kleinen Fischen oder anderen Arten, der sich mit im Netz verheddert hat, nicht länger über Bord werfen. Damit soll verhindert werden, dass verletzte und sterbende Fische wieder ins Meer geworfen werden.
Es ist aber umstritten, wie viel Beifang es gibt. Niederländische Untersuchungen gehen von bis zu 20 Prozent aus, der DFV spricht von lediglich einem Prozent, Umweltschützer in Deutschland schätzen 50 Prozent: Für jeden Fisch, der hier auf den Teller kommt, müsse ein anderer Fisch sinnlos sterben, so ihre Kritik.
Jetzt müssen die Ostseefischer wirklich jeden Fisch an Land bringen und auf ihre Fangquote anrechnen lassen, auch wenn der Fisch wegen geringer Größe oder Verletzungen nur zu Tiefstpreisen vor allem an die Tierfutterindustrie verscherbelt wird. Die finanziellen Einbußen seien nicht zu verkraften, sagt Ortel, und fordert wenigstens „praxisnahe Ausnahmen“. Die aber kann die Wissenschaft zu seinem Ärger überhaupt nicht liefern.
Die Überlebensquote von Nordseeschollen, die zurück ins Meer geworfen wurden, liegt bei „null bis 100 Prozent“, hat Sarah Kraak vom Rostocker Institut für Ostseefischerei in Tests ermittelt. „Es ist unmöglich, das genauer festzustellen.“ Eine nachgewiesen hohe Überlebensquote wäre Voraussetzung für eine Ausnahme.
Die Wissenschaftler auf dem Fischereitag zucken die Schultern, die Fischer sind sauer. „Es gab Fischereien, die mehr unerwünschten Beifang als vermarkteten Fisch erzeugt haben“, sagt Karoline Schacht von der Umweltstiftung WWF. „Angesichts dieser Verschwendung war das Beifangverbot überfällig.“SMVWirtschaft+Umwelt
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