Freiberufler

Bloß weg aus den gesetzlichen Versicherungen: Spitzenverdienerunter den Selbstständigen wehren sich gegen Festanstellungen

Scheinund Sein

Einstufung DieKriterien für Scheinselbstständigkeit sind umstritten

Die Selbstständigen fordern neue Kriterien zur Abgrenzung, etwa die Höhe des Stundensatzes

BERLIN taz | Eine Firma oder ein Freiberufler können bei der Deutschen Rentenversicherung klären lassen, ob es sich bei einem Auftragsverhältnis in Wirklichkeit um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, also ein Angestelltenverhältnis handelt, für das Beiträge in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung gezahlt und der Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gelten müssten.

Bei diesem sogenannten Statusfeststellungsverfahren wird etwa mit Fragebögen eruiert, ob der Auftragnehmer vom Auftraggeber „Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise der Auftragsausführung“ bekommt, ob „regelmäßige Arbeitszeiten“ einzuhalten sind, ob die Tätigkeit in Räumen des Auftraggebers ausgeübt wird, ob der Soloselbstständige an Dienstbesprechungen teilnimmt und die Hard- und Software des Auftragnehmers benutzt – all das sind Kriterien, die laut Rentenversicherung auf ein sozialversicherungspflichtiges Anstellungsverhältnis hindeuten.

Im Jahre 2014 kamen die Prüfer der Rentenversicherung in fast der Hälfte dieser Statusfeststellungsverfahren zu dem Schluss, dass die vermeintlich selbstständige Tätigkeit in Wirklichkeit ein abhängiges Be­schäftigungsverhältnis war, also nur eine „Scheinselbstständigkeit“ vorlag. Noch 2010 war das nur in einem Drittel der Fälle so.

Der Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD) fordert andere Kriterien zur Abgrenzung, etwa ob das Auftragsverhältnis eine „freiwillige“ Selbstständigkeit beinhaltet, ob der Auftragnehmer eine ausreichende Altersvorsorge betreibt und einen bestimmten – eher höheren – Stundensatz verdient.

Die Bundesregierung plant laut Koalitionsvertrag ein Gesetz gegen den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen. Weitere Details könne man aber noch nicht mitteilen, so ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums auf taz-Anfrage Es soll in diesem Jahr noch „einen gesetzgeberischen Aufschlag“ geben. Der VGSD befürchtet, dass mit dem Gesetz die bislang geltende „rigide Abgrenzungspraxis“ der Rentenversicherung und Rechtsprechung festgeschrieben werden könnte, so Gründer Andreas Lutz.

Die Kriterien für Scheinselbstständigkeit waren 1999 unter dem damaligen Sozialminister Walter Riester (SPD) drastisch verschärft, dann aber 2003 wieder gelockert worden.

Barbara Dribbusch