American Pie
: Sieger im Sommerschlussverkauf

BASEBALL Dank geschickter Last-Minute-Einkäufe haben sich die Toronto Blue Jays in einen Titelfavoriten verwandelt

Selbst im hohen Norden, da wo sie am liebsten Eishockey spielen, gehört der Hochsommer dem Baseball. Allerdings fristete der einzige Base­ball-Klub von Belang, den sie in Kanada haben, bis eben ein Mauerblümchendasein. Doch seit Ende Juli haben sich die Toronto Blue Jays in einen Titelaspiranten verwandelt und sind zu den neuen Lieblingen des zum Minderwertigkeitskomplex neigenden Kanadiers geworden.

Am 31. Juli endete nämlich die Wechselfrist für die laufende Saison. Zu diesem Zeitpunkt haben die Mannschaften der Major Lea­gue Baseball (MLB) ungefähr zwei Drittel ihrer 162 Saisonpartien bestritten, die Streu hat sich vom Weizen getrennt, und die Teams, die keine Chance mehr auf das Erreichen der Playoffs haben, versuchen traditionell, ihre teuren Stars loszuwerden im Tausch gegen ein paar hoffnungsvolle Nachwuchskräfte.

So setzt alljährlich ein fröhlicher Sommerschlussverkauf ein. Als ein großer Gewinner des diesjährigen Basars entpuppt sich gerade Toronto. Die Blue Jays konnten mit Shortstop Troy Tulowitzki und Pitcher David Price zwei echte Könner nach Kanada locken. Seit die beiden das blaue Trikot mit dem Blauhäher-Logo tragen, haben die Blue Jays nur einmal verloren, aber elf Spiele gewonnen. Nun sitzen sie den lange souverän führenden New York Yankees in ihrer MLB-Staffel wieder im Nacken. Über das Wochenende mussten die Blue Jays beim direkten Konkurrenten antreten und stellten klar, wer die neue Nummer eins der American Lea­gue East sein will: In drei Spielen gegen die Yankees gab es drei weitgehend souveräne Siege.

Allerdings: Wie ist zu erklären, dass zwei Akteure einen 25-Mann-Kader derart verbessern? Die Lösung ist einfach: Die Blue Jays hatten schon vor der Ankunft von Tulowitzki und Price vorher eine ziemlich gute Mannschaft. Die Offensive war die mit Ab­stand beste in der Liga, aber To­ron­to hatte sich angewöhnt, klare Siege einzufahren, aber knappe Spiele vorzugsweise zu verlieren. Das hat sich dank der erfahrenen Neuzugänge verändert. „Wir wissen, wir können jedes Spiel gewinnen“, sagt Tulowitzki.

Ein Wissen, an dem die Kanadier teilhaben wollen. Erstmals seit den glorreichen neunziger Jahren, als die Blue Jays ihre beiden einzigen World-Series-Titel gewinnen konnten, waren wieder Schlangen vor den Ticket-Verkaufsstellen in Toronto zu sehen. Plötzlich ist der SkyDome, das riesige, bis zu 50.000 Zuschauer fassende Stadion mit dem bei der Einweihung 1989 weltweit einzigen ausfahrbaren Dach, wieder regelmäßig ausverkauft. „Es macht gerade großen Spaß, ein Spieler der Blue Jays zu sein“, findet vermutlich nicht nur Jose Bautista, der seit 2008 in Toronto spielt und viele Jahre mit vielen Niederlagen erlebt hat, „und ich bin sicher, es macht gerade auch großen Spaß, ein Blue-Jays-Fan zu sein.“ Um dieses Eishockey-Dings kümmern sie sich dann wieder im Winter. Thomas Winkler