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Archiv-Artikel

Metaller fechten um neue Tarifrunde

Differenzen in der IG Metall: NRW-Landesverband will keinen Lohnausgleich für höhere Steuern und widerspricht damit Bundes-Chef Peters. Angepeilt sind vier Prozent mehr Lohn für Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie

DÜSSELDORF taz ■ Zwischen der IG Metall Nordrhein-Westfalen und ihrem Bundesverband bahnt sich ein Streit um die Tarifrunde 2006 an. IG Metall-Vorsitzender Jürgen Peters hatte gefordert, Belastungen der Arbeitnehmer durch höhere Steuern und Preise mit Lohnerhöhungen auszugleichen. Das lehnt der Landesverband ab. „Staatliches Handeln kann nicht durch die Tarifpolitik ausgeglichen werden“, sagte gestern NRW-Bezirksleiter Detlef Wetzel. Die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer soll demzufolge keine Auswirkungen auf die Tarife haben.

Mit dieser Ansicht schließt sich der Landesverband Metall-Vize Berthold Huber an. Huber hatte sogar einen Verzicht auf die traditionelle Umverteilungskomponente in Aussicht gestellt, falls sich die Arbeitgeber zum Abschluss von Qualifizierungs- und Innovationstarifverträgen bereit zeigten. Die NRW-Metaller ließen noch offen, inwieweit die Beschäftigten an den Gewinnen beteiligt werden sollen.

Für die Metall- und Elektroindustrie werden bei der kommenden Tarifrunde Lohnsteigerungen von mindestens vier Prozent angepeilt. „Das ist das, was sich heute mathematisch errechnet“, sagte Wetzel. Die Zahl ergebe sich aus der Entwicklung von Produktivität und Inflation sowie der Gewinnerwartung der Branchen. Eine endgültige Entscheidung über die Lohnerhöhung falle allerdings erst im Januar. Die Gewerkschaft rechnet mit einem harten Tarifstreit. Der Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie NRW wollte nicht Stellung zu den Forderungen beziehen, solange noch keine genauen Zahlen feststehen.

Die IG Metall will schon vor Beginn der Tarifrunde im nächsten Jahr die Belegschaften stärker organisieren, um an Durchsetzungskraft zu gewinnen. In den kommenden Wochen werden 170.000 Mitglieder und 100.000 Arbeitnehmer der Branchen angeschrieben. Unterstützt wird das Ganze durch verschiedene Programme. So wurden 31 Betriebe und Firmen erfasst, die sich aus der Tarifbindung zurückgezogen haben, ohne es der Belegschaft mitzuteilen. „24 davon haben das auf Druck der Belegschaft inzwischen rückgängig gemacht“, sagt IG Metall NRW-Sprecher Wolfgang Nettelsroth. Die nun angeschriebenen Mitarbeiter sollen prüfen, ob das Tarifergebnis in ihren Betrieben umgesetzt wurde. Wenn die Tarifbindung nicht aufrecht erhalten wird, sollen betriebliche Tarifkommissionen eingreifen. „So wollen wir den Beschäftigten auch Hilfe zur Selbsthilfe bieten“, sagt Nettelsroth. Zudem arbeiten nur 63 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb mit Flächentarifvertrag. Diese Zahl müsse erhöht werden.

Bezirksleiter Wetzel beklagte, dass die vergangenen Tarifabschlüsse zu selten in den Betrieben umgesetzt würden. Von den durchschnittlichen Lohnsteigerungen von drei Prozent sei letztlich nur ein Prozent bei den Arbeitnehmern angekommen. Schuld daran seien das Anrechnen von übertariflichen Leistungen oder das Anwenden von Öffnungsklauseln für Sanierungsfälle. „Wir wollen aber nicht nur einen Tarifabschluss – das Ergebnis soll auch in den Betrieben ankommen“, so Wetzel.

Darüber hinaus hält der Landesverband an der Tarifautonomie fest. „Wenn wir uns dagegen aussprechen, kann sich die Gewerkschaft gleich auflösen“, so Sprecher Nettelsroth. Auch in den Berliner Koalitionsverhandlungen sei eine Auflösung der Tarifautonomie kein Thema.

Die IG-Metall NRW ist mit 605.000 Mitglieder der bundesweit stärkste Landesverband. Allein in der Metall- und Elektroindustrie vertritt der Verband rund 700.000 Beschäftigte.

GESA SCHÖLGENS