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Hobbits sind einfach gute Weggefährten

SPEKTAKEL„Der Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ werden am Sonntag in der Waldbühne als Musikshow dargeboten. Kann das gutgehen? Im Grunde aber ist das egal, bei Tolkien und seiner Mittelerde-Vision geht es um anderes

von Tim Caspar Boehme

Erstes Geständnis: Als ich als Kind das Buch „Der kleine Hob­bit“ – so hieß das damals noch – von J. R. R. Tolkien las, musste ich am Ende des Buchs weinen. Nicht, dass die Geschichte traurig ausgegangen wäre; ich war vielmehr traurig, weil die Erzählung ziemlich definitiv vorbei zu sein schien. Dass es mit dem „Herrn der Ringe“ eine etwas umfangreichere Fortsetzung gab, war mir in dem Moment womöglich nicht bewusst.

Zweites Geständnis: Ich habe den „Kleinen Hobbit“ auch als Erwachsener noch einmal gelesen, vielleicht sogar zweimal. Nicht weil ich gerade kein anderes Buch zur Hand gehabt hätte, sondern weil es mir gefiel. Dass das Buch nicht unbedingt als coole Lektüre gilt, hat mich nicht gestört. Im Gegenteil.

Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen: Diese Bekenntnisse sollen nicht dazu dienen, Tolkien-Verächter von den Reizen seiner Bücher zu überzeugen – eine Neulektüre des „Herrn der Ringe“ steht bei mir für irgendwann noch an –, wie es auch müßig ist, Gegner der fantastischen und Fantasyliteratur von der Ansicht abzubringen, dass die seltsamen, unheimlichen, mitunter kitschigen Welten, die man dort bereisen kann, bloß hirntote Weltfluchtstrategien ohne jeglichen Realitätsbezug oder Erkenntniswert sind. Vermutlich ist dies weniger eine Frage der Haltung als eine schlicht biografische Angelegenheit. Wenn man eine andere frühkindliche Prägung hinter sich hat, mit anderen Erfahrungen der fiktiven Welterzeugung, ist es wohl einfach zu spät, um sich noch für die Sache begeistern zu können.

Dass umgekehrt die Begeisterung für Tolkiens Werk unterschiedlichste, nicht immer gleichermaßen erfolgreiche Übertragungen in andere Kunstformen hervorgebracht hat, ist zunächst einmal nur ein Hinweis darauf, dass das Buch in den Fantasiehaushalten vieler Leute einiges umgeordnet hat, was für sich genommen ja nichts Schlechtes ist. Manche Fantasien mögen dabei ein wenig heißlaufen.

So kann man – von den Fans, die sich heimlich zum Elbisch-Konversationskurs treffen, einmal abgesehen – kaum mehr als Kopfschütteln erwarten für ein Projekt wie das vor einigen Tagen bekannt gewordene Vorhaben britischer Tol­kien-Fans, die im Süden Englands die Stadt Minas Tirith aus dem „Herrn der Ringe“ bauen wollen – für knapp zwei Milliarden Pfund, für die per Crowdfunding gesammelt wird. Und weil irre Ideen gern ein unkontrolliertes Eigenleben entwickeln, haben sich als Reaktion darauf mittlerweile ein paar selbst ernannte Orks im Netz organisiert, die das Vorhaben verhindern wollen und ebenfalls Geldspenden entgegennehmen – für Waffen, mit denen sie die im Roman von Menschen bewohnte Stadt später schleifen können.

Wenn es überhaupt so weit kommt: Bei den angehenden Bauherren sind bisher erst 80.000 Pfund zusammengekommen. Am Ende reicht das Geld eventuell ja auch für ein paar spektakuläre Reenactments.

Nicht stets nur Größenwahn

Die Versuche, dem Tolkie­n’­schen Werk eigenen kreativen Ausdruck zu verleihen – die Verfilmungen durch Peter Jack­son sind nur der bisher erfolgreichste –, müssen nicht immer gleich ins Größenwahnsinnige abdriften. Manchmal reicht auch eine Fortsetzung des Werks mit andern Mitteln. So hat das dänische Tolkien Ensemble sich das vergleichsweise bescheidene Ziel gesetzt, sämtliche Lieder und Gedichte aus dem „Herrn der Ringe“ zu vertonen und darzubieten. Ein bisschen Folk, dazu klassischer Kunst­lied­ansatz und ein Hang zur Philologengründlichkeit kommen da zusammen – wird am Ende auch in der „Schwarzen Sprache der Orks gesungen?

Vor den Dänen hat sich übrigens schon ein anderer Skandinavier an einer „Vertonung“ von Tolkiens Opus versucht. Der Schwede Bo Hansson präsentierte 1970 sein Solodebüt „Sagan Om Ringen“, international erschienen unter dem Titel „Music Inspired by The Lord of the Rings“. Schon da dürfte der Verweis auf den Erfolgsroman einen positiven Einfluss auf die Verkaufszahlen der Platte gehabt haben. Der Prog-Rock Hanssons hat mit seiner pastoralen Gelassenheit und reduzierten Monotonie fast mehr mit Post-Rock zu tun als die handwerklichen Leistungsschauen seiner Kollegen damals, was mancher Zeitgenosse auch als langweilig erlebt haben dürfte.

Inwiefern das mit der Langeweile ebenfalls für das Œuvre des Tolkien Ensemble gilt, muss an dieser Stelle offenbleiben. In jedem Fall gilt auch hier: Tolkien sells. Immerhin beabsichtigen die Musiker, die mit der Stimme des inzwischen verstorbenen Schauspielers Christopher Lee werben, mit ihren virtuellen Mittelalterweisen aus Mittelerde am Sonntag die Waldbühne zu füllen. Und damit die Peter-Jackson-Anhänger unter den Tolkien-Fans nicht zu kurz kommen, wird auch der erste der drei „Herr der Ringe“-Filme gezeigt. Man mag davon halten, was man will, die Landschaftsaufnahmen der Gebirge Neuseelands sind wirklich von ­überwältigender Schönheit, da kann die Nachbearbeitungsabteilung noch so sehr an den Farben herumgespielt haben. Schließlich geht es um imaginäre Gefilde und nicht um Authentizität.

Kampf Gut gegen Böse

Am Sonntag spielt man in der Waldbühne Mittelerde: All die Orks, Elben und Hobbits sollen hier bei dem „Der Herr der Ringe & Der Hobbit“-Spektakel ihren Auftritt haben, man wird den Chor des Auenlands hören und die Nationalhymne Mordors, wie überhaupt bei dieser Ring-Beschwörung mit dem dänischen Tolkien Ensemble die Geschichte vom Kampf Gut gegen Böse vor allem musikalisch in Szene gesetzt wird. Einlass ist um 14.30 Uhr, der Einmarsch der Mittelerde-Völker ist für 16 Uhr angesetzt, im Anschluss an das Konzertspektakel gibt es um 20 Uhr noch den Film „Der Herr der Ringe – Die Gefährten“ zu sehen. Karten ab 20 Euro.

Wer die Ring-Sage filmisch komplett haben möchte, muss danach ins Kant Kino, Kantstraße 54: Dort schließt sich in der Nacht mit den Filmen „Die zwei Türme“ (23.15 Uhr) und „Die Rückkehr des Königs“ (2.30 Uhr) die Tolkien-Geschichte zur ganzen Ring-Trilogie.

Was das alles mit Berlin zu tun hat? Die Waldbühne, die im Nationalsozialismus nach dem Vorbild antiker Amphitheater gebaut wurde, diente in den dreißiger Jahren bei einer völkischen Theaterproduktion einst als Thingplatz. Mit dieser Art der öffentlichen Versammlung dürften Tolkien-Leser bestens vertraut sein, wird man doch bei ihm Zeuge eines Ent-Things. Ents, das sind mobile Baumwesen, die sich für wichtige Entscheidungen in Talsohlen einfinden, um dort zu debattieren.

Der Zivilisationsbruch

Diese Parallele ist keinesfalls im Sinne ihres Erfinders. Tolkien erlebte im Ersten Weltkrieg als Soldat aus nächster Nähe die Schlacht an der Somme, der eine Million Soldaten zum Opfer fielen. Sein moralisch übersichtlicher Kampf der guten Bewohner von Mittelerde – Hobbits, Elben, Zwerge und Menschen – gegen den bösen Sauron und seine Verbündeten lässt sich als Reaktion auf diesen Zivilisationsbruch lesen.

Als Kritik trägt das nur begrenzt, zur Orientierung im Denken kann es gleichwohl helfen. Und falls es wen interessieren sollte: Am Sonntag werde ich nicht in die Waldbühne gehen. Presse ist auch gar nicht eigens vorgesehen.

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