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Autonomie statt Einheitsbrei

Selbermachen Von publizistisch toten Lokalblättern haben Münsteraner BürgerInnen die Nase voll.

Die wichtigste Frage unter allen lautet: Woher soll das Geld kommen?

Münster ist – neben Tübingen – die Stadt mit der stärksten Dichte an (bildungs-)bürgerlichen Menschen. Das hat überwiegend etwas mit der Universität zu tun. Man kann sagen: Die BürgerInnen der Metropole sind kulturell anspruchsvoll. Ebenso im Hinblick auf Medien, vor allem aber auf Zeitungen. Seit anderthalb Jahren aber ist die lokale Medienwelt stark ausgedünnt worden.

Die Münstersche Zeitung verlor vor anderthalb Jahren ihre publizistische Unabhängigkeit – was sie enthält, deckt sich mit den Inhalten, die auch in den Westfälischen Nachrichten zu lesen sind. Der Mantel des Blatts ist mit den Ruhr-Nachrichten aus Dortmund identisch. So ist die Medienkrise, am heftigsten spiegelt sie sich in der Provinz. Damit gehen aber auch Foren der Öffentlichkeit verloren. Wenn eine Zeitung nicht mehr mit einer anderen konkurriert, verliert sie an Biss und Fähigkeit zur Kritik. Einige Interessierte an Zeitungen als Instrument der Diskussion haben sich in Münster nun zusammengesetzt, um die Möglichkeit einer Online-Zeitung zu erörtern.

Die taz kann über dieses Projekt lediglich berichten, finanziell ist sie selbst nicht stark genug, einen Lokalteil dort abermals ins Leben zu rufen. Aber, so sagt Online-Zeitungs-Mitini­tiator Rainer Bode, „um Geld der taz geht es auch nicht. Was wir uns wünschen, ist moralische Unterstützung.“ Bode und FreundInnen haben vor knapp einem Jahr das Projekt „Die Andere Zeitung“ ins Leben gerufen. Ziel ist eine Publikation, die den beiden Lokalzeitungen der Stadt – die faktisch nur noch eine ist – durch guten Journalismus eine autonome Stimme entgegenzusetzen. Freilich soll es kein linkes Pendant werden – denn die taz gibt es ja (nicht nur) in Münster längst. Um in dieser Universitätsstadt über die alternative Szene hinaus Gehör zu finden, braucht es eine Publikation, die kritischen Lokaljournalismus zu bieten weiß und dennoch welt­anschaulich „neutral“ bleibt.

Allein: Das Projekteschmieden ist oft leichter als die Realisation. Rainer Bode – langgedienter politischer „Einmischer“ in Münster und Umgebung – weiß das natürlich auch. „Alles braucht seine Zeit, es sollen ja so viele Leute wie möglich mitgenommen werden.“ Die offenste Frage unter allen lautet: Woher soll das Geld kommen? Online mag nicht so kostspielig sein wie eine Zeitung auf Papier. Aber finanzielle Ausstattung braucht sie nicht minder. Eine Genossenschaft – wie die taz eine ist – kann Geld akquirieren, darf dieses aber nicht ins Tagesgeschäft stecken, das ist gesetzlich untersagt. Gleichwohl: Interessierte aus Münster müssten das Projekt durch Einlagen oder Spenden zur Welt bringen. Wer sich durch die etablierten Medien in Münster nicht gut genug unterrichtet fühlt, wer findet, es sollte besserer, gründlicherer Journalismus möglich sein, kann dies nicht gratis haben wollen.

Zu einer Veranstaltung im Juni kamen 180 Menschen, um sich mit dem Online-Zeitungsplan für Münster zu befassen. So viele Interessierte hatten die Veranstalter nicht erwartet, ein gutes Zeichen also. Trotzdem: Möglicherweise war am Ende der Veranstaltung so etwas wie erste, vielleicht produktiv zu nutzende Ernüchterung eingetreten: Die bessere Welt mit besserem Journalismus fällt nicht wie Manna vom Himmel. Das muss bezahlt werden.

Jan Feddersen

Mehr zum DAZ-Projekt auf facebook – suchen Sie dort nach „Die Andere Zeitung“.

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