Endlich ein Netter

Anderthalb Jahre nach dem ZDF-Flop probiert sich Pro 7 mit dem Teenieschwarm Ben an einer Neuauflage von „Bravo TV“ (Samstag, 17 Uhr)

VON VERENA STEHLE

Bernhard Matthias Albrecht Lasse Blümel war Waldorfschüler und durfte nie „Bravo TV“ gucken. Pädagogisch wertlos, befand der Elternrat damals. Aber das ist zehn Jahre her. Inzwischen heißt Bernhard nur noch Ben, hat Karriere als singender Teenieschwarm gemacht und moderiert ab sofort „Bravo TV“ auf Pro 7 – allen erzieherischen Maßnahmen zum Trotz. Nach mehreren Formatänderungen, Sender- und Moderatorenwechseln sowie anderthalb Jahren Pause ist das Trendmagazin für den Neustart generalüberholt worden. Das Konzept: Stars, emotionale Reportagen und die gewohnten „Bravo“-Charts.

Erstmals lief „Bravo TV“ vor zwölf Jahren bei RTL 2, moderiert vom deutschen MTV-Star Kristiane Backer, die wegen ihrer VJane-Erfahrung beim britischen Clipsender als Expertin für Jugendkultur galt. 1995 übernahm Heike Makatsch, Idol der Girlie-Bewegung, ein Jahr darauf kam schon Jasmin Gerat – und die Quoten stimmten.

„Bravo TV“ war damals wirklich innovativ: Zwischen „Nils Holgersson“ und „Beverly Hills 90210“ gab es lange nichts fürs Teeanager-Publikum. Mit 14 waren der Trickfilmheld und seine Wildgänse längst Kinderkacke. Mit den verwöhnten amerikanischen Kids teilte man höchstens die Pony-Frisur, sicher aber nicht deren coole Autos und das pralle Portemonnaie. Und Sex hatten die ja auch schon alle! Jugendgerechte Formate bei den Öffentlich-Rechtlichen hörten auf den Namen „Logo“, lösten bei präpubertären Zuschauern aber bloß ein müdes Gähnen aus.

„Bravo TV“ hingegen lieferte glitzernde Popuniversen, noch bevor die Musiksender MTV und Viva so richtig in Mode kamen. Die Sendung spiegelte Gefühle, Träume und Sorgen der Teenager wider und bot ihrem Publikum Identifikationsfiguren: Moderatorinnen, die wir uns heimlich als große Schwester oder beste Freundin wünschten.

Dann aber wurde das Sendekonzept verändert und die Moderatoren wechselten immer häufiger. Nach der netten Heike und der noch ganz okayen Jasmin kam noch Enie, danach aber bloß Milchgesichter, die nur dadurch auffielen, dass sie sich selbst gerne reden hörten.

Die permanente Auswechslung war für die jungen Zuschauer und ihre Suche nach einer Orientierungsinstanz kontraproduktiv: Plötzlich zappten die Kids weg. Und die Stars fehlten. Nach Boygroups wie Take That und der musizierenden Kelly Family gab es immer weniger „Bravo TV“-kompatible Idole.

Noch dazu eroberten die Musiksender den deutschen Fernsehmarkt und spannten „Bravo TV“ immer mehr Zuschauer aus – bis RTL 2 keine Lust mehr hatte. Nach dem Aus im Privatfernsehen zwängte das ZDF „Bravo TV“ in einem seiner Jugendwahn-Anfälle in ein semifiktionales Soap-Korsett – und scheiterte auch damit. Die Quote war am Boden, die Teenies blieben weg. 2004 war endgültig Schluss.

Nun hat sich Pro 7 dem hyperaktiven Sorgenkind angenommen und hofft, dass jetzt ein Junge richtig mit anpackt. Muckis hat er zwar nicht, aber der Ben ist endlich mal wieder ein ganz Netter – Muttis Bester, Zappelphilipp-Popstar und Mädchenschwarm. Der 24-jährige Berliner trägt ständig eine Mütze Marke Topflappen und hat seine Jeans viel zu tief sitzen – ideal für die Zielgruppe eben.

Mit seinem neuen Job wird Ben gleich doppelt Arbeit haben. Für Pro 7 ist er nicht nur Moderator, sondern quasi Aushilfs-Star. Selbst wenn die Sendung doof wird, stimmt die Quote vielleicht, weil die Mädels einschalten, die Ben so süß finden.

„Stars, Reportagen, Charts – das ist das neue ‚BravoTV‘“, verspricht Pro 7. Nun ja, neu ist das nicht. Die Dreiteilung war schon einmal der Anfang vom Ende. Geändert hat sich vor allem, dass das Magazin künftig nur noch eine halbe Stunde dauert – und nicht mehr so wie früher den halben Vormittag.