Vergesst die Anzeigen!

SPIEGEL Verlagsgruppe setzt notgedrungen auf Vertriebserlöse

Verlagsmanager zu sein, hat auch schon mal mehr Spaß gemacht. Zeitungen und Zeitschriften werden dünner und dünner, weil die Anzeigenkunden entweder längst ins Internet abgewandert sind oder in Krisenzeiten schlicht auf Werbung verzichten.

Mit einem Rückgang der Erlöse der Spiegel-Gruppe (Print, Online, Spiegel TV) um 10 Prozent auf rund 300 Millionen Euro rechnet Verlagsgeschäftsführer Ove Saffe für 2009. Die Anzeigenerlöse sind sogar um 30 Prozent eingebrochen. Und Saffe bleibt gar nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden, dass das keine vorübergehende Delle ist, sondern eine strukturelle Verschiebung der Erlösstruktur. Wir werden uns strategisch stärker auf die Vertriebserlöse konzentrieren“, sagte Saffe am Mittwoch in Hamburg – und unterschlug das Wörtchen „müssen“ am Ende des Satzes. 2010 werden Anzeigen noch genau ein Drittel der Erlöse beisteuern, den Großteil müssen die Titel selbst erwirtschaften. „Das Anzeigengeschäft muss künftig wie Sahne obendrauf sein“, so Saffe.

Das geht nicht ohne Preiserhöhungen: Der Spiegel wird noch vor Weihnachten zehn Cent teurer und kostet künftig 3,80 Euro, die Preise für Spiegel Geschichte, Spiegel Wissen und Spiegel Spezial steigen sogar um mehr als 10 Prozent auf 7,50 Euro. Diese Anpassungen sind nicht mehr als ein Anfang – genau wie die Entwicklung, auf die sie reagieren. Aber Kopf hoch, liebe Kollegen: Die taz hat ohne nennenswertes Anzeigenvolumen schon 30 Jahre überlebt.

Als wäre das alles nicht schon Umwälzung genug, steht dem Spiegel in näherer Zukunft noch eine weitere Zeitenwende bevor: Anfang 2011 ziehen Verlag und Redaktion in ein neues Gebäude – ohne die legendäre Kantine des dänischen Designers Verner Panton. 80 Quadratmeter des orangefarbenen Speisesaals kommen ins Museum – ein Weg, der Kulturpessimisten zufolge eines hoffentlich fernen Tages wohl auch Zeitungen und Zeitschriften bevorsteht. DENK