: Müde lächeln über die Literatur
Bayerischer Rundfunk Hilft Empathie gegen Streichungspläne?
Im Bayerischen Rundfunk trägt man sich mit der Idee, das Ressort Literatur abzuschaffen. Die Literatursendungen „Lesezeichen“ und „Lido“ sollen ersatzlos gestrichen werden, im Zuge von Sparmaßnahmen, heißt es. Am Donnerstag wird darüber entschieden. Wenn es so käme, wäre das bedauerlich. Nein, fahrlässig. Und es wäre ein Anlass, die Programmgestalter der öffentlich-rechtlichen Sender daran zu erinnern, dass die Rundfunk- und Fernsehgebühren keineswegs nur dazu da sind, den älteren Bevölkerungsgruppen in Deutschland, die sich mit den Möglichkeiten des Internets schwertun, ein bequemes Wegdämmern zu ermöglichen. Wenn man sieht, wie sehr die Dritten Programme inzwischen von aufgesetzt fröhlichen Regionalsendungen dominiert werden, könnte man glatt so einen Eindruck gewinnen.
Insofern sind die Proteste gegen die Pläne begrüßenswert. Allerdings ist der Überbau, der sie begleitet, auch so eine Sache. In der Onlinepetition gegen die Einsparungen, die durch die sozialen Medien wandert, steht der Satz: „Es geht um kulturelle Identität, um das Bewusstsein für Sprache, um das Einüben von Empathie.“ Und in der Stellungnahme des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels heißt es: Literatur weite „den Blick, trägt bei zu Toleranz und Weltoffenheit“.
Das ist viel zu dick aufgetragen. Als Feigenblatt in Sachen Empathie und Toleranz ist Literatur schlicht zu schade. Und es sind überorchestrierte Friede-Freude-Eierkuchen-Sätze, ebenso groß wie leer, über die Programm-Manager von heute wahrscheinlich nur müde lächeln. Aber es geht auch eine Nummer kleiner. Die vermehrte Aufmerksamkeit für Debütanten zeigt schließlich, dass die Literatur – neben der Musik und der Kunst – ein ganz handfester Schauplatz ist, auf dem junge Menschen herauszubekommen versuchen, was sie können und wie sie sich verstehen wollen, selbst in Bayern.
Außerdem sind Bücher wie Jan Wagners „Regentonnenvariationen“ und Amos Oz’ „Judas“ dieses Jahr bereits zu wirklichen Bestsellern geworden. Wer unter den Entscheidungsträgern innerhalb der Medien immer noch der Mode folgt, als Erstes Kultur zu opfern, ist nicht mehr up to date. Im Grunde ist es ganz einfach: Wer am Puls der Zeit sein will, muss auch über Literatur berichten.
Wer aber aktuelle Literatur aus seinem Programm schmeißt, wird provinziell. So einfach ist das. Die Frage ist, will der Bayerische Rundfunk das sein: provinziell? Dirk Knipphals
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