Berliner Szene: Fan und Feind
Für immer Steglitz
In der Nähe vom Botanischen Garten gibt es genau eine Kneipe, die noch zwei Stunden nach Mitternacht geöffnet hat. M. setzt sich für eine Zigarette zu mir. Er kommt meistens nach der Arbeit hierher, aus einem Restaurant in der Nähe. Ich komme meistens nach einem Konzert, also gewissermaßen auch von der Arbeit.
Manchmal unterhalten wir uns, manchmal nicht. Er hat seine Hemdsärmel hochgekrempelt und zeigt mir die ersten Stechereien eines in Steglitz alteingesessenen Tätowierers. Der würde seine Ideen perfekt umsetzen.
M. hat noch viele Sitzungen vor sich: Die U9 soll seinen Arm hochfahren und das Schild „Rathaus Steglitz“ richtig schön groß werden. Den Bierpinsel will M. aber nicht auf seinem Arm, dessen Form gefällt ihm nicht.
Er ist wild entschlossen, sich qua Tattoo als Steglitz’ größter Fan zu zeigen. Er ist es jetzt schon. Kann ich da mithalten? Ich bete nur jeden Tag dafür, dass Bushido mit seinem Laden für „Aquaristik“ aus meinem Kiez verschwindet.
Es muss wohl eine ausgefeilte Technik geben, allerlei Substanzen in den Schwimmblasen von Fischen zu deponieren. Oder Aquarien als lukrative Investition zu deklarieren.
Die beiden Automaten-Cafés ein paar Häuser weiter hat er angeblich auch in der Hand. Nie sitzt dort auch nur ein einziger Mensch.
Neulich habe ich ihn wieder gesehen an der Ampel. Die Fensterscheibe heruntergelassen, den rechten tätowierten Unterarm am Steuer (das Tattoo habe ich später gegoogelt, der Schriftzug „Electro“ ist eine wahre Beleidigung für jeden Musikfan).
Er hat Grün, laut erhebe ich die Stimme: „Du bist so widerlich!“, höre ich mich sagen. Er muss abbiegen. Hiermit rufe ich es noch einmal: „Verschwinde aus meinem Kiez, Bushido!“
Franziska Buhre
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen