Die Wende vor den Werkstoren

Bayer Leverkusen siegt erstmals unter Trainer Michael Skibbe. Beim 2:1 über Borussia Dortmund benötigte die Werkself allerdings noch fremde Hilfe – Skibbe-Schüler Kringe traf ins eigene Netz

Völlers Gestik drückte jedenfalls die ganze Erleichterung aus: Endlich die Wende

AUS LEVERKUSEN ERIK EGGERS

Zuletzt hatte sich Rudi Völler stets erst sammeln und den Frust kanalisieren müssen. Der Sportdirektor Bayer Leverkusens ging nach den jüngsten Spielen stets sofort ein paar Minuten in Klausur, um später mit gefasster Miene die Fortschritte der Mannschaft unter dem neuen Trainer Michael Skibbe zu verkünden. Am Samstag nun war alles anders. Diesmal verzichtete Völler weitgehend auf Äußerungen in der Öffentlichkeit. Doch bevor er in den Katakomben verschwand, wartete er nach dem Schlusspfiff am Ende des Spielertunnels, klatschte jeden einzelnen Profi derart enthusiastisch ab, als hätten sie just die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Völlers Gestik drückte jedenfalls die ganze Erleichterung aus, die Skibbe später in ein einziges Wort packen sollte: „Endlich.“ Endlich gewonnen. Endlich drei Punkte. Endlich die Wende?

Davon wollte dann doch keiner sprechen. Denn dem Gastgeber war gewahr, wie sehr ihm die Glücksgöttin Fortuna beim 2:1 (1:0) gegen die stark ersatzgeschwächte Borussia aus Dortmund hold gewesen war. Als sich alle schon mit einem Remis abgefunden hatten, machte nämlich Florian Kringe den Leverkusenern ein spätes Geschenk, als er einen von Schneider per Kopf verlängerten Eckball Barnettas in das eigene Tor lenkte (86. Minute) – auch wenn andernfalls wohl der hinter ihm lauernde Berbatov das Siegtor erzielt hätte. Dieser erste Sieg im fünften Pflichtspiel unter seiner Leitung, so ließ Skibbe durchblicken, war vor allem in psychologischer Hinsicht extrem wertvoll. „Irgendwann wird es schwierig, wenn man der Mannschaft ständig Fortschritte verkauft, dann aber die Erfolge ausbleiben“, erklärte der Übungsleiter. Irgendwann, sollte das wohl übersetzt heißen, wird der Trainer dann nicht mehr Ernst genommen von den Profis.

„Die ganze Mannschaft ist für ihr großes Engagement belohnt worden“, sagte Skibbe nach dem Spiel. Fraglos ist zudem ein Aufwärtstrend zu erkennen beim zuletzt schwächelnden Werksklub. Anders als der BVB, der nach den Worten seines Trainers Bert van Marwijk „nicht scharf genug verteidigte, nicht gierig genug war, das zu Null zu halten“, zeigte sich der Gastgeber angriffslustig. Das 1:0 durch den Kopfstoß Juans (33.), der eine Kopfball-Verlängerung Berbatovs aus kurzer Distanz einnickte, war das verdiente Ergebnis der Leverkusener Bemühungen. Doch danach wurden wieder die verschiedenen Baustellen sichtbar, die Leverkusen noch zu bearbeiten hat: Weder konnte der Werksklub in der folgenden Drangphase das Spiel vorzeitig entscheiden, und das trotz zahlreicher Großchancen. Noch ist das Team momentan dazu in der Lage, einen einmal erkämpften Vorsprung cool nach Hause zu spielen.

Die Szene, die diese Mankos schonungslos freilegte, hätte bei einem weniger glücklichen Ende ziemlich hämische Kommentare provoziert, soviel ist mal sicher. Denn als Voronin in der 68. Minute zum vermeintlichen 2:0 einköpfte, jubelten nicht nur die Fans, sondern das Tor wurde auch schon auf der Anzeigentafel verkündet. Als jedoch Schiedsrichter Merk auf Abseits entschied, „haben wir ein bisschen gepennt“, wie Linksverteidiger Gonzalo Castro eingestand. Den Trance-Zustand des Gastgeber nutzte die zuvor erschreckend harmlose Borussia im Stile eines Spitzenteams und schloss einen von Odonkor blitzschnell vorgetragenen Konter durch Ricken zum 1:1-Ausgleich ab. „Da wären schon wieder zwei verlorene Punkte gewesen“, mahnte Bernd Schneider in schlechter Erinnerung des späten Ausgleichs in Kaiserslautern, „da müssen wir cleverer sein“.

Nicht nur die Entschlossenheit der Leverkusener, diesen Sekundenschlaf auszuwetzen, ließ Skibbe hinterher hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Auch die stark formverbesserten Innenverteidiger Roque Junior und Juan, die sich abwechselnd in den Angriff einschalteten, hatten die starke Kritik nach Ansicht des Trainers „aus den Klamotten geschüttelt“ und eine „absolut tadellose Leistung“ abgeliefert. Zudem neutralisierten die Außenverteidiger Fritz und Castro über weite Strecken des Spiels die raketenschnellen Außenstürmer Odonkor und Buckley. Die Abwehr lieferte Skibbe, der bis Samstag „noch nicht ganz die Formation gefunden“ hat, die er sich vorstellt, mithin die wichtigsten Erkenntnisse. Allerdings sollte die Defensive auch mal auswärts halten, wenn Leverkusen noch das anvisierte Ziel UEFA-Cup-Platz erreichen will. Die nächste Bewährungsprobe folgt in zwei Wochen, in Mönchengladbach.