: Eine Metapher jagt die nächste
HOCH HINAUS In Leipzig entsteht das Europäische Zentrum für Presse- und Meinungsfreiheit. Es will ein „Leuchtturm“, eine „laute Glocke“ werden. Wodurch unterscheidet es sich von anderen Organisationen?
von Benedikt Peters
Da sitzt er vor einem, und man weiß nicht, was größer ist: seine Augen? Oder die Ringe darunter? Lutz Mükke, beiges Jackett, geputzte Lederschuhe, lehnt sich zurück und schlägt die Beine übereinander. Ja, müde sei er, richtig müde. Aber nächste Woche gehe es in den Urlaub, zwei Wochen zu Verwandten nach Schweden, der erste seit zwei Jahren. Mükke war Dozent an der Universität Leipzig, davor Journalist. Nun ist er Geschäftsführer des „Europäischen Zentrums für Presse- und Meinungsfreiheit“ (EZP). Und damit ein Mann, der große Ankündigungen in die Tat umsetzen soll.
Zu hören waren diese Ankündigungen Ende Juni in Leipzig, als Journalisten und Aktivisten aus verschiedenen europäischen Ländern das EZP gründeten. Ein „Alarmzentrum“ wolle man sein, eine „laute Glocke“, ein „Leuchtturm“, alles im Namen der Pressefreiheit. So sprachen es Hans-Ulrich Jörges und seine Kollegen auf der Pressekonferenz. Jörges, hauptberuflich stellvertretender Chefredakteur beim Stern, ist einer der Initiatoren des EZP. Auf der Gründungsversammlung wurde er EZP-Vizevorstand hinter Henrik Kaufholz, einem Journalisten aus Dänemark. Mehr als 20 Mitglieder hat das EZP, darunter freie Journalisten ebenso wie der Springer- und der Gruner+Jahr-Verlag oder Interessenorganisationen. Finanziert wird es hauptsächlich mit Mitteln der Europäischen Kommission und der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig. An deren Standort im Leipziger Vorstadtviertel Gohlis hat es seinen Sitz – in der „Villa Ida“, wie ein goldenes Türschild verrät.
Das EZP soll immer dann seine Stimme erheben, wenn in Europa, Journalisten drangsaliert, eingeschüchtert, misshandelt werden – oder auch bei wirtschaftlichen Fehlentwicklungen. Nur: Gibt es solche Organisationen, die sich für Pressefreiheit einsetzen, nicht längst? „Ja, klar“, sagt Geschäftsführer Mükke. Wo ist dann der Mehrwert des EZP gegenüber anderen Organisationen, etwa Reporter ohne Grenzen? An diesem Punkt wird Mükke vorsichtig. „Reporter ohne Grenzen ist eine verdienstvolle Organisation“, sagt er, „aber das EZP hat einen anderen Anspruch.“ Die „Pressefreiheits-Community“ sei zu fragmentiert. „Wir wollen alle bestehenden Initiativen bündeln: große Verlage und Kanzleien für Medienrecht, Thinktanks, Medienwissenschaftler, unterdrückte Journalisten. „Wenn wir alle europaweit vernetzen könnten, würde das den politischen Druck wesentlich erhöhen.“ So will man auch auf EU-Gesetze Einfluss nehmen und einheitliche Standards für Pressefreiheit schaffen. Die Reporter ohne Grenzen klingen skeptischer: „Je mehr sich für die Presse- und Informationsfreiheit engagieren, desto besser. Eine Zusammenarbeit mit dem EZP in konkreten Fällen können wir uns sicherlich vorstellen“, sagte der Deutschlandvorsitzende Michael Rediske
Das EZP glaubt an die Vernetzung. Klappen soll sie auf Konferenzen, und in einer frei zugänglichen Onlinebibliothek sollen Verstöße gegen Pressefreiheit dokumentiert und auf Experten verwiesen werden. Bei allen Ambitionen mahnt Mükke zur Geduld: „Wir sind ein Start-up-Unternehmen“, sagt er mehrmals. „Alles ist noch im Aufbau.“
EZP-Chef Lutz Mükke
Wie der Aufbau aussieht, zeigt sich in seinem Büro. Sechs Mitarbeiter sitzen am Konferenztisch, planen „the next big thing“, wie sie sagen. Die Arbeitssprache ist Englisch, die Mitarbeiter kommen aus Deutschland, Großbritannien und dem Kosovo. Anfang Oktober soll die erste Konferenz des EZP stattfinden, dafür hat man sich ein symbolisches Datum ausgesucht: den 9. Oktober, den Tag, an dem im Jahr 1989 10.000 Menschen auf die Leipziger Straßen gingen und die „friedliche Revolution“ ihren Lauf nahm. Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, kommt Und Ljiljana Smajlović, Präsidentin des serbischen Journalistenverbands.
Dann geht es kurz um die EZP-Website. Bald sei alles fertig. Wer auf die Domain klickt, der findet EZP-Logo, Adresse und den Hinweis: „Side (sic!) under construction“.
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