: Sorgen ethnischer Parteien
Ethnische Minderheiten Beide nationalen Großparteien vernachlässigen die Minderheiten, meinen diese. Deren Parteien fürchten die nationale Konkurrenz
Von Ei Ei Toe Win
Wird der Wahlkampf der oppositionellen Nationalen Liga für Demokratie (NLD) und der militärnahen Unionspartei für Solidarität und Entwicklung (USDP) die Stimmen ethnischer Minderheiten spalten und deren Parteien marginalisieren? 40 Prozent der 51 Millionen Birmesen gehören ethnischen Minderheiten an. Doch die beiden großen Parteien kümmern sich nicht um die Sorgen ethnischer Gruppen und bereiten sich vielmehr darauf vor, in allen Wahlkreisen anzutreten, also auch in den ethnischen Hochburgen.
Bisher sind 75 Parteien für die Wahlen registriert, davon 53 auf nationaler Ebene. Um bei dem Mehrheitswahlrecht die Chancen der ethnischen Parteien in Gebieten der ethnischen Minderheiten gegenüber der NLD und USDP zu erhöhen, verhandeln einige Parteien darüber, sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen und gemeinsam Kandidaten aufzustellen. Egal, ob dann auf nationaler Ebene die USDP oder NLD gewinnt, die ethnischen Parteien wollen über die „nationale Einheit“ mitverhandeln, also als Teil der gesamten Nation gesehen und behandelt werden.
U Pe Than, ein Mitglied der Rakhaing Nationalpartei (RNP) aus der Bruderschaftsvereinigung der Nationalitäten, einem Bündnis 20 ethnischer Parteien, fordert von USDP und NLD in Gebieten, wo Vertreter der Minderheiten normalerweise die Sitze gewinnen, auf Kandidaturen zugunsten der ethnischen Parteien zu verzichten.
„Wenn die beiden Parteien in diesen Gebieten antreten, werden die ethnischen Stimmen gespalten. Das sät Zwietracht in dem jeweiligen Volk entsprechend der politischen Spaltung“, sagt U Pe Than. Seine RNP hat bereits Kandidaturen in 75 Wahlkreisen angekündigt.
U Win Myint, ein altgedientes Mitglied der von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi geführten Oppositionspartei NLD, sagt, seine Partei plane auch für Posten ethnischer Minister zu kandidieren wie auch für nationale und regionale Sitze in den Minderheitengebieten.
„Ob wir mit den ethnischen Parteien verhandeln, entscheidet unser Zentralkomitee“, sagt er. „Das bestimmt, wer wo kandidiert. Bisher hat es noch keine Gespräche mit anderen Parteien gegeben. Wir wollen eigentlich NLD-Mitglieder mit dem entsprechenden ethnischen Hintergrund in dem jeweiligen Minderheitengebiet aufstellen, wenn es kein Bündnis mit einer ethnischen Partei gibt.“
Es sei doch weniger wichtig, ob die NLD in Minderheitengebieten antritt, als vielmehr, dass die Wahlen frei und fair seien, fügt er hinzu. „Unsere Priorität ist, dass die Kandidaten bei den Wählern beliebt sind. Entscheidend ist die Stimme der Bürger“, so U Win Myint.
U Thein Swe, ein Sprecher der vom früheren Juntachef Than Shwe und anderen Generälen gegründeten USDP, sagt hingegen, die Partei werde sich landesweit um 1.112 Mandate bewerben. Im Jahr 2010 hatte die USDP haushoch gewonnen, weil damals die NLD boykottiert hatte.
U Pe Than, Rakhaing NationalPartei
Jetzt fürchtet die USDP, weniger Sitze zu bekommen. Trotzdem beabsichtige sie nicht, mit ethnischen Parteien zu verhandeln oder anders Wahlkampf zu führen, um auch die nächste Regierung bilden zu können. „Wir haben noch nie ethnische Angelegenheiten vernachlässigt“, behauptet U Thein Swe. Deshalb hätte die Partei ja auch überall kandidiert.
Die Verfassung ermöglicht Minderheiten, deren Bevölkerungszahl größer als 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung sein muss, also etwa 60.000 im Jahr 2010, in einem Staat oder einer Region einen gewählten Vertreter in das entsprechende Parlament zu entsenden. Diese Abgeordneten sind dann Teil des jeweiligen Parlaments. Im Jahr 2010 wurden so 29 Posten für ethnische Vertreter vergeben. U Sai Laik von der Shan Nationalen Liga für Demokratie (SNLD) sagt, seine Partei werde zunächst einmal mit der NLD verhandeln, bevor sie sich entscheide, für einen der ethnischen Ministerposten zu kandidieren.
Verlaufen die Wahlen erfolgreich, wird dies auf nationaler wie internationaler Ebene das Vertrauen in den künftigen politischen und wirtschaftlichen Reformprozess stärken.
Beobachter sagen jedoch vorher, dass es weder einen Deal zwischen den großen nationalen und den ethnischen Parteien geben werde, noch werde eine Partei bei den Wahlen einen Erdrutschsieg einfahren. Deshalb dürfte es auf eine Koalitionsregierung hinauslaufen.
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