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Paris beugt sich Wut der Bauern

Agrar Die französische Regierung kündigt nach heftigen Protesten der Landwirte Soforthilfe für Viehzüchter und Milchbauern im Wert von 600 Millionen Euro an

„Unser Beruf hat einen Preis – unsere Produkte auch!“: Bauernproteste in Frankreich Foto: Jacky Naegelen/reuters

Aus Paris Rudolf Balmer

Mit der Wut französischer Bauern ist nicht zu spaßen. In geradezu panischer Angst vor einer Radikalisierung der Protestaktionen der westfranzösischen Viehzüchter und Milchbauern hat die Regierung in Paris deshalb jetzt die Einzelheiten eines kurzfristig angekündigten „Dringlichkeitsplans“ veröffentlicht. Dieser soll den Landwirten des Landes aus ihrer wirtschaftlichen Misere helfen und sieht verschiedene Hilfsmaßnahmen vor, für die der Staat insgesamt 600 Millionen Euro auf den Tisch legen will.

Im Wesentlichen soll damit die Schulden- und Abgabenlast der Landwirte verringert werden. Zudem möchte die Regierung die Exporte fördern und mit langfristigen Verträgen zwischen Fleischproduzenten und Abnehmern für Preisstabilität sorgen.

Paris reagiert damit auf die heftigen Proteste der Bauern, die seit Montag unter anderem die Straßen bei Caen in der Normandie sowie die Zufahrt zum touristischen Mont-Saint-Michel blockiert hatten. Der wichtigste Bauernverband FNSEA reagierte eher positiv auf die Ankündigungen, ließ aber offen, ob alle Straßenblockaden sofort aufgehoben würden.

Bei ihrer Hilfe verfüge die französische Regierung nur über einen eingeschränkten Spielraum, räumte Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll ein. Sie kann weder die Preise regulieren noch direkte Subventionen bezahlen oder die Mehrwertsteuer senken, ohne ein EU-Veto zu riskieren.

Die Gespräche mit den Bauern und den übrigen Teilen der Agrobranche sollen nun fortgesetzt werden. Denn längerfristig sind strukturelle Anpassungen nötig. Für FNSEA-Präsident Xavier Beulin gibt es aber eine Priorität: die Preise. Die Zahlen sprechen für sich: Wie soll ein französischer Milchproduzent auf Dauer überleben, wenn ihm eine Tonne seiner Produktion für 300 bis 310 Euro abgekauft wird, während die Herstellungskosten sich aber auf mehr als 350 Euro belaufen?

Der Bauernverband FNSEA ließ offen, ob nun alle Blockaden aufgehoben werden

Nicht viel besser sieht die Rechnung bei den Schweine- und Rinderzüchtern aus. Auch sie beklagen sich, weil sie zum aktuellen Marktpreis nicht kostendeckend oder sogar häufig mit Verlust arbeiten. In vielen Fällen sagen Betroffene, dass sie ohne ein Nebenerwerbseinkommen der Familienmitglieder schlicht nicht überleben könnten. Nach Angaben aus dem Landwirtschaftsministerium stehen rund 10 Prozent der Zuchtbetriebe wegen Zahlungsunfähigkeit und Schulden vor dem Konkurs.

In dieser Krise steckt die Branche seit Längerem. Die durch eine fehlende Modernisierung der französischen Landwirtschaft sowie einen Mangel an Investitionen entstandenen Probleme sind seit Jahren bekannt. Die Landwirtschaft trägt heute mit weniger als 2 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt Frankreichs bei. In der Bredouille stecken die Bauern auch, weil sich die verzögerte Anpassung an die Marktsituation jetzt in einem drastisch verschärften Wettbewerb rächt. Die französischen Familienbetriebe sind mit billigeren Milch- und Fleischprodukten aus deutschen, dänischen oder holländischen Großbetrieben konfrontiert. Mit deren Preisen können die Unternehmer kaum mithalten.

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