piwik no script img

Picknick vor der Leinwand

SOMMERKINO Neue und alte Lieblinge, Kanon und Lokalkolorit: das Freilichtkino auf dem Hamburger Rathausmarkt

Dieser Institution wird nicht mal ein total verregneter Sommer gefährlich

Es wäre ein schöner Werbegag, würde am morgigen Freitagabend, gegen 23 Uhr, ein Doppeldecker im Tiefflug über den Hamburger Rathausmarkt hinwegbrausen. So was wird natürlich kaum genehmigt, und auch das Timing wäre schwierig, aber es gäbe eine schöne Dopplung: Auf der Leinwand des Freilichtkinos würde da nämlich gerade Cary Grant als Werber Roger O. Thornhill von einem Flugzeug gejagt, in der vielleicht klassischsten Szene in Alfred Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“. Solche zumeist zufälligen Korrespondenzen zwischen dem Fiktiven und der Realität gehören zu den Glücksfällen beim Freilichtkino. So hat ein Vorführer einmal den russischen Weltraumfilm „Solaris“ anlaufen lassen, als die Raumstation MIR gerade am echten Nachthimmel zu sehen war. So etwas vergisst man nicht.

Häufiger verhindern allerdings die äußeren Umstände die Vorstellungen: Für kommerzielle Betreiber sind Wind und Wetter Risikofaktoren, und so gibt es nach einer Gründungswelle in den 90er-Jahren immer weniger sommerliche Open-Air-Kinos. Jenes auf dem Hamburger Rathausmarkt gibt es dagegen schon seit 1986, und weil es zu einem großen Anteil von der Kulturbehörde finanziert wird und der Eintritt frei ist, kann dieser Institution nicht mal ein total verregneter Sommer bedrohlich werden.

Bis zu 5.000 Besucher kommen zu dem zehntägigen Programm, das vom Kommunalen Kino Metropolis organisiert wird. Familien breiten Decken aus und machen direkt vor dem Rathaus Picknick, es ist beinahe ein hanseatisches Ritual. Gezeigt wird eine Mischung aus Klassikern und jüngeren Publikumslieblingen, und zum Auftakt gibt es am heutigen Donnerstag einen echten Hamburg-Film: In Sebastian Schippers „Absolute Giganten“ verbringen drei Freunde ihre letzte gemeinsame Nacht – einer von ihnen hat auf einem Überseedampfer angeheuert. In Erinnerung bleibt der Film unter anderem wegen einer so aufwändig wie liebevoll in Szene gesetzten Kicker-Partie.

Auf den „Unsichtbaren Dritten“ folgt am Samstag „Blondinen Bevorzugt“ mit Marilyn Monroe und Jane Russell, am Sonntag haben dann in „Die Reifeprüfung“ Dustin Hoffmann und die Musik von Simon & Garfunkel ihren Auftritt. Dienstagabend wird die Adaption des gleichnamigen Graham-­Greene-Klassikers „Brighton Rock“ aus dem Jahr 2010 gezeigt: ein britischer Neo-Noir über junge Gangster. Am Mittwoch wird es mit Fritz Langs „M“ noch schwärzer, am Donnerstag mit Fassbinders „Lili Marleen“ ein wenig melancholisch pathetisch und am Freitag kann man mit Bogart und Bergman in „Casablanca“ schwelgen.

Am Wochenende in einer Woche beschließen zwei neue Klassiker das Programm: In „Inception“ verbiegt Christopher Nolan die Realität in einem 3-D-Film ohne 3-D, und für „True Grit“ haben die Coen-Brüder aus Jeff Bridges einen grandios grantelnden Erben von John Wayne gemacht. HIP

Beginn 22 Uhr, Eintritt frei www.freiluftkino-hamburg.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen