Die Wahrheit: Wacken deluxe

Wenn auf Festivals am VIP-Campingplatz das eigene Vorzelt nicht mehr taugt, hat es sich mit der Trueness erledigt.

„Fighting the World every single day / Fighting the World for the right to play / Heavy Metal in my brain / I’m fighting for Metal cause it’s here to stay“, schmetterten Manowar in den tiefsten und schmutzigsten Achtzigern. Aber auch wenn man sich bei klarem Verstand kaputtlachte über die schuposchnauzbewehrten Frühmenschen im Lendenschurz und Fellbewurf, mitsingen musste man trotzdem. Denn zumindest metaphorisch, als schöne Geste hatten diese Worte eine gewisse Überzeugungskraft. Und sowieso galt hier wie stets die alte Straßenweisheit: „Dumm spielt gut.“

Das kämpferische Renegatentum, das in vielen Achtziger-Jahre-Metal-Songs besungen wurde, auf dass die Szene sich konsolidiere und eine immer größere Fangemeinde ihr Geld für die entsprechenden Devotionalien auf den Kopf haue, war naturgemäß nur behauptet. Spätestens als wir in der folgenden Dekade das Wacken Open Air besuchten, hatten wir uns beruhigt. Und mit den Jahren und der wachsenden Professionalisierung unserer Entourage wurde alles immer hübscher.

Zelteten wir anfangs noch kilometerweit entfernt und hatten lange Expeditionen durch den wilden Camping-Dschungel zu überstehen, schnorrten wir uns eines Tages auf den sogenannten VIP-Zeltplatz. Von nun an waren wir in zwei Minuten vor den Bühnen und genauso schnell wieder am Hauszelt für ein paar Cräcker mit etwas drauf. Ja, was denn drauf? Ein Spanferkel, beim Teutates!

Hier gab es noch andere Annehmlichkeiten: Duschen etwa. Einmal sogar Unisex-Mannschaftswaschkauen. Na, das war ein großes „Hallihallo“ und „Na, wen haben wir denn da?“ und „Mach’s dir doch selber, du Arsch“. Setzte sich aber leider nicht durch. Irgendwann hielt sogar ein Bäckerwagen an und bot frische Brötchen, Nuss­ecken und andere Teilchen feil. „Rock ’n’ Roll ist was anderes“, feixte jemand vorwurfsvoll in der Schlange und nahm zwei volle Tüten mit. Es war Kaffeezeit. Und dieser jemand war ich.

Völlig auf den Hund kam unsere Rebellenattitüde dann vor einigen Jahren. Unsere Trueness hatte sich da schon längst verabschiedet. Die vorausgefahrene Abordnung, die unseren Camping-Claim abstecken sollte, rief erregt an und erteilte uns die Order, einen neuen, größeren Garten-Pavillon mitzubringen. Der alte genügte den gehobenen Anforderungen nicht mehr. „Der sieht so oll aus, die Nachbarn lachen schon.“

Wir machten also einen Abstecher zum nächsten Baumarkt, verglichen die Preise, nahmen den von der Stiftung Warentest für „Gut“ befundenen „Private Event Shelter“ mit und ertappten uns gegenseitig, wie wir lange vor den Auslagen eines Supersonderangebots stehen blieben. Ein echter Schnapper, da konnte man nicht meckern. Wir warfen uns verstohlene Blicke zu. „Tjaaa, man könnte es sich schon recht nett machen damit.“ – „Ist vielleicht nicht unbedingt notwendig.“ – „Nein, aber nett.“

Buche-Parkettfußboden für nur 11,99 Euro pro Quadratmeter. Ein einhelliges Seufzen. Vielleicht im nächsten Jahr.

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Lebt als Schriftsteller in Braunschweig. Neben Romanen und Erzählungen erschienen diverse Sachbücher und Essaybände zur Literatur- und Kulturgeschichte. Zuletzt: Henry David Thoreau – Waldgänger und Rebell. Eine Biographie (Suhrkamp); Hühnergötter. Roman (Limbus); Notes on a Dirty Old Man (Zweitausendeins).

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kari

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