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Warnung vor Desaster für die gesamte EU

Appell Ökonomen fordern Merkel dringend auf, einem Schuldenschnitt für Athen zuzustimmen

WASHINGTON afp/rtr | Renommierte Ökonomen haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem eindringlichen offenen Brief aufgerufen, einem Schuldenschnitt für Griechenland zuzustimmen. Nur so könnten eine Existenzkrise der gesamten EU und eine weitere Verschlechterung der Situation verhindert werden.

Die Sparauflagen, die Athen in den vergangenen Jahren von seinen internationalen Gläubigern gemacht worden seien, hätten das Land nur weiter in eine wirtschaftliche Depression getrieben, kritisierten Thomas Piketty, Jeffrey Sachs, der frühere Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Heiner Flassbeck, und weitere Wirtschaftswissenschaftler in dem Schreiben, das das US-Magazin The Nation am Dienstag im Internet veröffentlichte.

„Die verschriebene Medizin hat den Patienten ausbluten lassen, aber nicht von der Krankheit geheilt“, bilanzierten die Ökonomen. Die Gläubiger müssten „eine Kurskorrektur in Betracht ziehen, um ein weiteres Desaster zu verhindern und Griechenland in die Lage zu versetzen, in der Eurozone zu bleiben“. Das Land brauche insbesondere eine „wesentliche Verringerung“ seiner Schuldenlast.

Die Ökonomen kritisierten, dass von Griechenland derzeit Reformen verlangt würden, ohne dem Euroland einen Schuldenschnitt zu gewähren. „Zurzeit wird die griechische Regierung aufgefordert, eine Waffe an ihren Kopf zu halten und abzudrücken“, hieß es in dem offenen Brief. „Traurigerweise wird die Kugel nicht nur Griechenlands Zukunft in Europa töten“, warnten die Ökonomen. „Der Kollateralschaden wird die Eurozone als einen Leuchtturm der Hoffnung, Demokratie und des Wohlstands töten.“

Anderen Experten zufolge droht Griechenland auch bei einer Lösung im Schuldenstreit eine neue Rezession. „Selbst wenn der Grexit letztlich vermieden werden kann, sehen wir dennoch den Rückfall in eine schwere Rezession“, so der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier, am Mittwoch. Das Bruttoin­lands­produkt werde in diesem Jahr voraussichtlich um 2 Prozent zurückgehen und könnte 2016 mit 3,8 Prozent fast doppelt so kräftig einbrechen.

„Die politischen und finanziellen Turbulenzen werden auf die Ausgabebereitschaft von Unternehmen und privaten Haushalten voll durchschlagen. Hinzu kommt, dass der griechische Staat faktisch insolvent ist, sodass auch der Staatsverbrauch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bremsen wird.“ Die Arbeitslosenquote – rund 26 Prozent – werde weiter steigen.

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