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Griechische Erbverhältnisse

Steuerpolitik Tolle Nachrichten für superreiche Firmenerben: Die Große Koalition einigt sich auf eine Erbschaftsteuerreform, die großzügige Verschonungen vorsieht

Aus Berlin Ulrich Schulte

Die Spitzen der Koalitionsfraktionen und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben sich auf eine Reform der Erbschaftsteuer geeinigt. Sie sieht hohe Freigrenzen und Verschonungsregeln für reiche Unternehmenserben vor. Nur eine „sehr überschaubare Zahl“ von Firmenerben müsste in Zukunft die Steuer zahlen, hieß es am Dienstag in Regierungskreisen. Der Gesetzentwurf wird an diesem Mittwoch im Kabinett beschlossen.

Die Große Koalition reagiert damit auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Die Richter hatten im Dezember letzten Jahres die Bevorzugung von Unter­nehmenserben gegenüber privaten Erben für verfassungswidrig erklärt.

Im Moment zahlen selbst Erben von millionenschweren Konzernen keinen Cent Erbschaftsteuer, sofern sie die Arbeitsplätze ein paar Jahre erhalten. Der jetzt vorgelegte, mehrfach abgeschwächte Entwurf sieht nur minimale Änderungen an dem Status quo vor.

Wichtig ist eine Freigrenze von 26 Millionen Euro pro Erbfall. Wer weniger erbt, bleibt – unter der Auflage des Joberhalts – steuerbefreit. Wer mehr erbt, kann zwischen mehreren Modellen der Besteuerung wählen. Schäuble hatte ursprünglich für einen Freibetrag von 20 Millionen Euro geworben; selbst diese niedrige Grenze hätte nur ­wenige sehr reiche Erben betroffen: Im Jahr 2013 lagen lediglich 1,5 Prozent der Unternehmenserben darüber. Jetzt dürften es noch weniger sein.

Für die Handvoll schwerreicher Erben, die mehr als 26 Millionen Euro bekommen, haben CDU, CSU und SPD noch ein Privileg eingebaut. Wenn bestimmte gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen vorliegen, steigt die Freigrenze auf 52 Millionen Euro, zum Beispiel dann, wenn in einem Unternehmen Ausschüttungs-, Stimmrechts- oder Veräußerungsbeschränkungen vereinbart sind. Dies ist vor allem bei Großkonzernen in Familienbesitz der Fall, welche auf mehrere Kinder aufgeteilt werden. Von der Ausnahme profitieren deshalb wenige Familiendynastien in Deutschland.

Finanzminister Schäuble hatte im Frühjahr Eckpunkte vorgelegt, die etwas schärfere Regeln vorsahen. Dagegen liefen mächtige Wirtschaftsverbände wie der DIHK seit Monaten Sturm. Besonders die CSU kämpfte für eine Abschwächung des Schäuble-Plans, während sich Teile der SPD auch härtere Regeln vorstellen konnten. Im jetzt anstehenden parlamentarischen Verfahren wird dieser Streit weitergehen.

Nur eine „sehr überschaubare Zahl“ von Erben werden zahlen müssen, heißt es

Der Entwurf sieht eine Reihe weiterer Begünstigungen vor. Firmen mit weniger als drei Angestellten bleiben komplett steuerbefreit. Sie müssen für die Verschonung nicht einmal nachweisen, dass sie die Arbeitsplätze erhalten. So will die Koalition kleine Handwerksbetriebe vor Bürokratie schützen. Die Hälfte aller Unternehmen fällt laut Finanzministerium unter diese Grenze.

Die Reform würde 200 Millionen Euro im Jahr mehr einbringen als die derzeitige Regelung – ein vergleichsweise niedriger Betrag. In Regierungskreisen hieß es: „Das Ziel war nie ein Mehraufkommen, sondern ein verfassungsfester Zustand.“ Kritik kam von der Opposition. „Die Befreiungen für große Vermögen sind so weitgehend, dass ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestehen“, sagte Grünen-Steuer­expertin Lisa Paus.

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