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Archiv-Artikel

Das Blaue vom Himmel

FAKTENCHECK 1999 hat Berlin seine Wasserbetriebe privatisiert. Die damaligen Verheißungen haben sich allesamt als falsch erwiesen

BERLIN taz | Privatfirmen wirtschaften effizienter und sind kostenbewusster als der Staat: Das sind die Verheißungen jeder Privatisierung – auch vor 14 Jahren, als das Land Berlin die Konzerne RWE und Veolia an den Wasserbetrieben beteiligte. Welche Folgen hatte die Privatisierung wirklich?

Arbeitsplätze: Am 13. November 1997 sagte der damalige CDU-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth im Landesparlament: Man müsse den Wasserbetrieben erlauben, in Zukunft „noch mehr unternehmerisch tätig zu werden, dann werden die Arbeitnehmer durch sichere, neuartige und besser bezahlte Arbeitsplätze davon profitieren, aber auch andere, die in Berlin Arbeit suchen“. Befürchtungen von Gewerkschaftern wies Pieroth mit markigen Worten zurück: „Wir sollten den Menschen in den Wasserbetrieben nicht unnötig Sorgen machen, denn deren Arbeitsplätze sind mit die sichersten in Berlin.“

Zudem sollten die Wasserbetriebe dank des Know-how der privaten Anteilseigner zum internationalen Player aufsteigen – und sich weltweit an ähnlichen Firmen beteiligen.

Die Realität: Nach der Privatisierung zogen die Wasserbetriebe sich weitgehend aus dem Wettbewerb zurück und konzentrierten sich auf ihr Monopolgeschäft mit Wasser in Berlin. Die Zahl der Mitarbeiter sank von 6.262 um ein Viertel auf 4.581.

Wasserpreise: Am 30. März 1999 verwies der SPD-Abgeordnete und heutige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit im Landesparlament auf Bemühungen, „durch die Unternehmenspolitik eine Senkung des Wasserpreises zu erreichen“.

Die Realität: Die damals geheimgehaltenen Verträge zur Privatisierung der Wasserbetriebe sichern den privaten Anteilseignern eine garantierte Rendite. Der Gewinn stieg von 8 Millionen Euro vor der Privatisierung auf zuletzt 285 Millionen Euro.

Um diesen Gewinn zu erwirtschaften, wurden die Preise erhöht: Eine Familie mit einem Wasserverbrauch von 150 Kubikmetern im Jahr zahlte im Jahr 1999 noch 1.148 DM (587 Euro) für Frisch- und Abwasser. Jetzt kostet die gleiche Menge 740 Euro, das entspricht einer Preiserhöhung von 26 Prozent.

Konsequenzen: Hohe Wasserpreise sind ein regelmäßiger Aufreger in der Stadt. Inzwischen halten alle Parteien die Privatisierung für einen Fehler. Das Land versucht die Wasserbetriebe vollständig zurückzukaufen. Die Berliner SPD hat grundsätzliche Lehren gezogen: Sie will eine „Privatisierungsbremse“ in die Landesverfassung aufnehmen: Bevor Krankenhäuser, die Müllentsorgung, der Nahverkehr oder Wohnungsbaugesellschaften verkauft werden, soll es eine verpflichtende Volksabstimmung geben. Begründung: „Der Kernbestand an öffentlicher Daseinsvorsorge muss geschützt werden.“ SEBASTIAN HEISER