: „Musik ohne Soße“
Neue Musik Der französische Komponist Erik Satie ist viel zu unbekannt, finden Kunstlehrer Riste
taz: Herr Riste, warum sollte man Erik Satie kennen?
Falko Riste: Weil er eine fesselnde Persönlichkeit war, einer der schillerndsten Komponisten zwischen dem Ende des 19. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Auch über seine Musik hinaus hat er viel Inspirierendes getan, gezeichnet und geschrieben. Er war ein absoluter Non-Konformist, für nichts zu vereinnahmen und er trug eine starke Haltung in die Welt. Weil es sich lohnt, sich ihm zu widmen. Als Komponist, und auch als Mensch.
Was unterschied ihn denn von seinen Zeitgenossen?
Er liebte das Ursprüngliche und distanzierte sich von den Strömungen seiner Zeit, vor allem vom Wagner-Hype. Anfang des 20. Jahrhunderts pilgerten aus ganz Europa Heerscharen nach Bayreuth um ihn zu hören. Satie war gegen eine Musik, die die Menschen emotional überwältigen und den Schaffenden als Genie darstellen sollte. Er schrieb lieber pure Melodien und splitterhafte Werke. Musik, die nicht romantisch ist, fast gar emotionslos. Oft wird sie als „Musik ohne Soße“ bezeichnet.
Was brachte ihn zu diesen musikalischen Brüchen?
Satie war ein sehr kritischer Mensch in bewegten Zeiten. Er war gegen den Imperialismus, gegen den Chauvinismus und gegen den Krieg. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges hat ihn tief getroffen und dazu bewegt, sich auch politisch zu engagieren. Doch darin fand er nicht die Freiheiten, die er sich erhofft hatte. Stattdessen widmete er sich wieder der Musik, begann sie zu fragmentieren und lebte seine Leidenschaft für das Zersplitterte, für das Pure aus.
Viele sagen, in seinem Werk läge der Ursprung der sogenannten Neuen Musik?
Das ist nicht falsch, aber zu kurz gegriffen. Viele große Vertreter dieser Musik, wie John Cage, bezogen sich zwar auf ihn. Doch sein Werk war noch vielfältiger. Er schrieb zum Beispiel die erste Filmmusik oder versuchte in seinen Werken, elitäre und volkstümliche Musik zu verbinden.
Wie meinen Sie das?
Sein Leben lang wohnte er als armer Musiker am Südrand von Paris. Saties Auftritte waren in elitären Kreisen zwar beliebt, doch danach lief er kilometerweit zurück nach Hause, wo er sein Brot als Salonpianist verdiente. Er verkörperte deshalb die Kluft zwischen dem Elitären und dem Volkstümlichen, vor dem er nie den Respekt verlor. Vielmehr verband er beide Welten in seinen Werken.
INTERVIEW: Kristof Botka
Serenade für Erik Satie: 20 Uhr, Christianskirche Ottensen, Bernadottestr. 7
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