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Schluss war erst mit Charlie Chaplin

FILMGESCHICHTE Hollywood und Hitler-Deutschland vertrugen sich bis 1940 erstaunlich gut. Eine Filmreiheim Zeughauskino schaut auf diese Zuneigung um vorauseilenden Gehorsam und ideologische Affinitäten

von Silvia Hallensleben

Wie Vegetarier müssen auch Film-Aficionados ihre Leidenschaft mit dem Großen Diktator teilen, der sich jeden Abend im eigenen Privatkino einen Film nach Wunsch vorführen ließ. Dabei reichte der Filmgeschmack des Führers durchaus über deutsche Hausmannskost und Riefenstahl-Pathos hinaus und er wusste Slapstick ebenso zu schätzen wie das von dem jüdischen Regisseur Georg Cukor inszenierte Greta-Garbo-Melodram „Camille“.

Auch Propagandaminister ­G­oeb­bels betonte ja gern die ästhetische Überlegenheit US-amerikanischen Filmschaffens. Weniger bekannt (wenn auch nicht neu) ist, wie präsent Hollywood bis 1940 auch in den deutschen Kinos war. Schließlich sollte das Volk gut unterhalten sein, auch wenn sich die einheimischeFilmproduktion in der Krise befand.

Repräsentanzen in Berlin

Auf der anderen Seite wollten die großen Studios auch unter den neuen Herren nicht auf die guten Geschäfte mit Deutschland verzichten: Während manche kleinere Firmen nach Konflikten oder rassistischen Repressionen Deutschland verließen, behielten Paramount, 20th Century Fox und MGM bis 1940 Repräsen­tanzen in Berlin.

So wurden 1938 mit einundvierzig US-Filmen noch fast so viele wie vor dem Machtwechsel importiert. Das änderte sich erst mit einem kurzfristigen Einbruch nach dem November 1938 und dann endgültig im Sommer 1940, als der Filmmarkt im besetzten Europa zusammenbrach.

Wie sehr die Geschäfte auch die Inhalte der Filme beeinflussten, zeigen die Forschungen des Filmhistorikers Ben Urwand, die in dem 2013 erschienenen detailreichen – und in seinen Wertungen umstrittenen – Buch „The Collaboration“ Niederschlag fanden. Darin beschreibt Urwand, wie die Auseinandersetzung um das Deutschenbild in dem Kriegsgefangenen-Drama „Captured!“ (Regie: Roy del Ruth) 1934 die Weichen für die deutsch-amerikanischen Filmbeziehungen bis zum Kriegseintritt stellte: Während die den Film verleihende Warner Brothers wegen ihrer Unbotmäßigkeit in der Umsetzung von Änderungswünschen aus dem deutschen Markt flog, hatten andere Studios die Lektion schnell begriffen und setzten auf profitable Koexistenz.

Materielle Grundlage waren einerseits eine deutsche Verordnung, die die Import-Genehmigung an Firmen verwehrte, die „trotz Verwarnung durch die zuständigen deutschen Stellen Bildstreifen in der Welt weiter vertreiben, die eine dem deutschen Ansehen abträgliche Tendenz oder Wirkung haben“. Zugleich wurde im deutschen Konsulat von L.A. mit Georg Gyssling ein Mann dafür besetzt, im Kontakt mit dem für Zensurfragen zuständigen Hays Office und Studios deutschschädliche Tendenzen im Vorfeld zu verhindern. Meist zeigten sich die Kontrahenten dabei höchst kooperativ und ließen ihre Filme bereitwillig von den Deutschen absegnen. Ein Kotau auch vor in den USA grassierenden antisemitischen und autoritären Strömungen.

Henry Hathaways Kolonialschinken „The Lives of a Bengal Lancer“ (1935) wurde als Lehrmaterialfür Hitlerjungen eingesetzt

So kam es, dass neben der Verhinderung von Anti-Nazi-Filmen manche der Hollywood-Produktionen wie „Gabriel Over the ­W­hite House” (Regie: Gregory La Cava 1933) oder „Our Daily Bread“ (Regie: King Vidor 1934) sogar – nach Urwands Einschätzung – in ihrem nationalsozialistischen Weltbild deutsche Produktionen der Zeit ausstachen. Henry Hathaways Kolonialschinken „The Lives of a Bengal Lancer“ (1935) etwa wurde als Lehrmaterial für Hitlerjungen eingesetzt.

Leider definiert Urwand in seinem auch sonst weitgehend theorieabstinenten Band seinen Faschismusbegriff nie, sondern verlässt sich in den Einschätzungen auf eigene oberflächliche Handlungsanalysen und das Zitieren einschlägig begeisterter Urteile der deutschen Presse. Eine eigene Position zu den Filmen bilden (und mit Urwand bei seiner Einführung zu „Gabriel Over the White House“ diskutieren) lässt sich ab Mittwoch im Zeughaus-Kino, wo dreiundzwanzig Filme aus dem Kontext der damaligen US-NS-Filmbeziehungen auf die Leinwand kommen.

Dabei reicht das Spektrum von den oben erwähnten anbiedernden Produktionen bis zu Chaplins „The Great Dictator“, der 1940 das Ende der filmgeschäftlichen Allianz zwischen Nazis und Hollywood markierte. Erwähnt werden soll noch die schöne Idee von Kurator Frederik Lang, dem Publikum statt isolierter Filme zeithistorisch rekonstruierte Programme mit Vorfilm und Wochenschauen anzubieten.

„Was Volk und Führer lieb-ten ... – Hollywood im Dritten Reich“, Zeughauskino, 1. Juli bis 11. August

Eröffnung am 1. 7., 20 Uhr, mit „It Happened One Night” (Regie: Frank Capra 1934)

Ben Urwand: „The Collaboration – Hollywood‘s Pact with Hitler“, 2013 The Belknap Press of Harvard University Press

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