: Magst du Katzen?
CLUBMUSIK Der sagenumwobene Pariser House-Produzent Pépé Bradock versteht es, sich trotz Internet rarzumachen. Protokoll des Versuchs einer Kontakt- aufnahme
VON ELISE GRATON
Beim Fahrradfahren hört Julien Auger alias Pépé Bradock am liebsten den Rap-Song „Fight The Power“ von Public Enemy. Auf der Flucht vor der Polizei steht Frank Zappas „Absolutely Free“ ganz oben auf der Playlist des Pariser Musikers. Und der Aufenthalt in einem von Geistern bewohnten Hotel sei kein Problem, solange Bradock die Stimme von Bollywood-Sängerin Asha Bhosle den Spuk versüßt.
Das alles vertraute der House-DJ und -Produzent dem französischen Musikmagazin Finger an, als es ihn bat, Fragen über Leben, Alltag und Schicksalsschläge mit Song- und Plattentiteln zu beantworten. Die Aufgabe löste er ungewohnt ausführlich: Im Schnitt vier Songs fielen ihm bei jeder Frage ein – als „allererstes Album“ nannte er allein fünf verschiedene Werke.
Eleganter Eklektizismus
Umso erstaunlicher, da Auger als extrem wortkarg gilt, ein Enigma, geradezu allergisch gegen jedwede Form von Exposure. Interviews mit ihm lassen sich, selbst nach langer Recherche, an einer Hand abzählen. Auch was sein musikalisches Schaffen betrifft, gibt er sich eher zurückhaltend: Neues – egal ob Remix oder eigener Track – erscheint scheibchenweise, alle paar Jahre, nie zu viel, nie zu oft. Seit Ende der Neunziger schleicht der blond gelockte Pariser mit bemerkenswerter Diskretion quasi unsichtbar durch eine aufsehenerregende Musikerkarriere – der Thomas Pynchon des House.
Sein Markenzeichen: eleganter Eklektizismus, also die Gabe, Klangfragmente aus einer überragend vielfältigen Musiksammlung zu höchst tragenden Housetracks zu kombinieren.
Mitte 2012 – nach fast drei Jahren Abstinenz – war es wieder einmal so weit: Der Titel einer neuen EP prangte unerwartet auf der Website seines Labels Atavisme: „Imbroglios Part 1“ – vier frische Tracks. Teil eins, das versprach sogar verheißungsvoll der erste einer bevorstehenden vierteiligen Reihe zu sein. Weltweit knallten Champagnerkorken, na ja, so fühlte sich der Moment wenigstens an. Mein journalistischer Ehrgeiz war geweckt. Selbst wenn er – wie zu erwarten sein würde – nichts sagt, vorfreudiges Nachfragen per E-Mail sollte doch erlaubt sein.
Erster Versuch: „Lieber Herr Auger, hätten Sie Zeit für ein kleines Interview?“ Das folgende Warten ließ sich leicht überbrücken: Die vier Tracks, ausschließlich als Vinyl verfügbar, konnte man auch dank YouTube genießen. So wie das düstere, melancholische „12 turns 13“, mal mit feuchtem Echo versehen, mal von metallisch synthetischen Beats untermalt.
Der Track „Katoucha?“ überrascht mit Robotergezwitscher, dezenten Interferenzen eines Radioapparats und so etwas Ähnlichem wie dem fernen Treiben auf einem sonnigen Schulhof. Die sehnsüchtigen Schallspitzen in „Attaque de boulangerie“ klingen wie quietschende Luftballons, die sich durch an der Mündung gepresste Finger ihrer Luft entleeren. Und der letzte Track, „Inconsequent Pussy“, hört sich auf Anhieb fast vertraut an, aber warum nur?
Es ist, als würden die Tracks aufeinander aufbauen, wie etliche Variationen eines Themas, wie der ausgeklügelte Soundtrack eines experimentellen Film Noir. Großartig! Doch eine Antwort auf meine E-Mail bleibt aus, und auch YouTube liefert kein erhellendes Video oder auch nur den Ansatz einer weiterführenden Information. Lediglich das immer gleiche Bild des zur Platte gehörenden Vinyl-Etiketts ist zu sehen.
Der schleichende Verdacht, die Tracks wurden diesmal nicht für die Tanzfläche komponiert, wird spätestens bei dem minutenlangen Starren auf jene Standbilder bestätigt: „Opération Veaux carnivores – Original Motion Picture Soundtrack“ steht da ganz klein. Filmmusik? Weitere Recherche bringt zu Tage: Ein Film „Operation Fleischfressende Kälber“ existiert nicht. Jedenfalls noch nicht.
Zweiter Versuch: „Hallo Pépé! Nur eine Frage. Deuten die Titel der neuen Tracks auf verschiedene Episoden eines geheimen Films, der gerade gedreht wird?“ „Imbroglios Part 2“ war in der Zwischenzeit erschienen und überrascht mit jazzigen Melodien, Beats wie herumtobende Glühwürmchen, seltsamen Orgeleinheiten – verspielt, virtuos, kakophon! Von Pépé Bradock aber leider immer noch keine Auskunft. Im Hintergrund läuft als Loop sein Track „Inconsequent Pussy“, begleitet vom beruhigenden Schnurren einer Hauskatze.
Dritter Versuch: „Hi, magst du Katzen?“ Zugegeben, das war publizistischer Selbstmord. Egal. Wie es scheint, antwortet Pépé Bradock nur in Form von Schallplatten. „Imbroglios Part 3“ ist gerade erschienen.
■ Pépé Bradock: „Imbroglios“ Parts I, II, III (Atavisme/Word&Sound)