Der Unbekannte

Auf dem Spielermarkt ist dem THW Kiel das Beste gerade gut genug. Da wird seit Jahren beinahe ausschließlich die erste internationale Garde in Betracht gezogen, wenn es darum geht, den Kader des deutschen Rekordmeisters im Handball zu verstärken. Bei der Besetzung des Geschäftsführerpostens verhält es sich etwas anders: Hier gibt sich der THW Kiel bescheiden. Nach dem Ausscheiden von Uwe Schwenker infolge der Bestechungsaffäre am 7. April 2009 blieb die „große Lösung“, die Verpflichtung einer renommierten Topkraft aus der ersten Reihe, aus.

Zunächst versuchte Uli Derad, der vom Abstiegskandidaten TSV Dormagen nach Kiel wechselte, sein Glück – recht erfolglos. Ein Burnout beendete das Engagement. Danach kam es in Person von Klaus Elwardt zur internen Lösung. Und nun ist ein neuer Mann da, dem ebenfalls die große Reputation fehlt. Der 39 Jahre alte Stefan Adam soll die kaufmännischen Geschicke so fortführen, dass der THW Kiel seine Position als Weltmarke im Handball nicht einbüßt. Er ist der neue Geschäftsführer für Finanzen, Marketing, Kommunikation und Organisation.

Adam hat durch seinen Wechsel zum THW auf der Karriereleiter mehrere Stufen auf einmal genommen. Schließlich war er zuletzt nicht einmal in der Bundesliga tätig gewesen. Er war Geschäftsführer beim Zweitliga-Spitzenklub Bergischer HC. Auch sonst gibt seine Vita nicht viel her. Als Spieler war er für Dortmund, Dormagen, Düsseldorf und Wuppertal aktiv gewesen. Dortmund und Düsseldorf sind im Fußball erste Adressen, im Handball nicht. Dann ist Adam noch Aufsichtsrat beim mehrmaligen deutschen Basketball-Meister Bamberg. Und letztlich, und dies ist die Position mit dem größten Renommee, ist der gebürtige Dortmunder seit Juli 2009 Mitglied des Präsidiums der Handball-Bundesliga (HBL).

Nun also der THW Kiel, eine ganz andere Handball-Welt, in welcher nicht mehr der TV Emsdetten oder die SG BBM Bietigheim die Rivalen sind, sondern Klubs wie die Rhein-Neckar Löwen, Berlin, Flensburg-Handewitt, Barcelona, Atletico Madrid oder Paris Saint-Germain HB. „Ich freue mich auf die Herausforderung, die Zukunft des besten Handballklubs der Welt aktiv mitzugestalten“, sagte Adam.

So mancher Beobachter hält Adam für eine Übergangslösung. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass Schwenker mittelfristig zum THW Kiel zurückkehrt. Vom Vorwurf der Schiedsrichterbestechung ist er bereits freigesprochen worden. Vor dem Kieler Landgericht wird nun noch ein Teilbereich des Vorwurfs der Untreue erneut behandelt. Sollte es auch hier einen Freispruch geben, wäre für ihn ein Comeback denkbar.  CHRISTIAN GÖRTZEN