Schnelljustiz am Werk in der Banlieue

Im Akkord urteilen Richter in den Vorstädten über mutmaßliche Straftäter. Einzige Zeugen sind meist Polizisten

„Alle hier müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Strafen hart sein werden“

PARIS taz ■ Rund 1.550 mutmaßliche Teilnehmer an den Ausschreitungen in französischen Vorstädten wurden in den vergangenen Tagen festgenommen. Sie werden im Schnellverfahren abgeurteilt. Wie es dabei zugeht, beschrieb gestern die Zeitung Libération.

Die Stimmung im Amtsgericht von Bobigny bei Paris ist gereizt, Richter und Staatsanwälte arbeiten rund um die Uhr. Eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft gibt den „Tarif“ durch: „Alle, die hier sind, müssen sich im Klaren darüber sein, dass die Strafen hart sein werden. Unser Département steht seit Tagen in Flammen.“

Die einen haben laut Anklage Steine oder Flaschen auf die Polizisten geworfen, in schwereren Fällen geht es um Brandstiftung. Die einzigen Zeugen sind meistens Polizisten. Zwei Monate gibt es für Eric, der aus einer Gruppe herausgegriffen wurde, die ein Auto zertrümmerte. Vier Monate für Alexandre, der zu einer Gruppe gehörte, die einen Mülleimer anzündete. Vier Monate auf Bewährung für Malik, der einen Pflasterstein auf die Polizei warf, nachdem diese Tränengas verschossen hatte. Abdoulaye, angeblich von Polizisten als Brandstifter wiedererkannt, wird in letzter Sekunde freigesprochen, weil sein Arbeitgeber ein Alibi liefert. Er bekommt aber einen Monat Gefängnis wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“.

Anderswo sind die Strafen noch härter: Acht Monate für einen Steinewerfer in Toulouse, vier Monate für Anzünden von Müll in Dijon. Jede Ungerechtigkeit steigert die Wut. R. B.